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Berlin: Das Bistro heißt „Mainhattan“, und im Garten stehen Apfelbäume Spalier

Die hessische Vertretung zeigt buchstäblich Flagge: auf dem Dach

Von Hermann Rudolph

Hier ist Berlin noch im Werden, laut, sperrig und ödflächig. Die Ecke der Ministergärten, an der die hessische Landesvertretung ihren Sitz hat, zeigt den Potsdamer Platz noch als Baustelle, mit Kränen, Gerüsten und der dazugehörigen Geräuschkulisse. Der Blick zum Bundesrat im Preußischen Herrenhaus stößt auf eine Brache, auf der erst einzelne Bürohäuser den künftigen Leipziger Platz erkennen lassen. Ein Ballon-Landeplatz verbreitet einen Hauch von Rummelmeile. Man fühlt noch etwas von dem Niemandsland, in das die Landesvertretungen hineingebaut worden sind, und von der wüsten Vergangenheit des Ortes. Aber Johannes Beermann, der Bevollmächtigte der Landes Hessen, bereut die Wahl des Platzes nicht. Er sieht darin „keinen Nachteil, sondern einen Vorteil“.

Das bezieht sich nicht nur auf die Lage der Landesvertretung, fast genau in der Mitte zwischen Bundestag und Bundesrat, gleich weit von den Brennpunkten ihrer politischen Arbeit – die Nähe des Finanzministeriums im ehemaligen „Haus der Ministerien“ nicht zu vergessen. Beermann meint damit auch die historische Belastung des Ortes – den früheren Todesstreifen, auf dem die Häuser der Länder stehen, dazu das Bunkersystem der Reichskanzlei; deren Fahrerunterkunft reicht gerade noch auf das hessische Grundstück. Denn Beermann findet es gut und richtig, dass es die Landesvertretungen sind, die diese dramatische Geschichts- Wunde mit der Normalität ihrer Arbeit überziehen – Sommerfeste und sonstige Geselligkeit eingeschlossen.

Aber die Hessen sind auch gerne hier, weil sie sich in der Mitte an der richtigen Stelle fühlen – ein Land der mittleren Größe, der Mittellage zwischen Norden und Süden, der Mittelgebirge, und auch mit ihrem Dialekt und ihrer Mentalität repräsentieren die Hessen irgendwie eine mittlere Gemütslage. Dass sie Wert darauf legen, als wirtschaftlicher Motor der Bundesrepublik anerkannt zu sein, gehört dazu – die stärkere Intonation des Länder-Stolzes überlassen sie Bayern und Baden-Württembergern. Auch deshalb – und weil es Zonengrenzland war – tut sich Hessen mit der Verlagerung der Schwerpunkte in der Bundesrepublik leicht, die die Wiedervereinigung herbeigeführt hat. Es hat auch keine Schwierigkeiten mit der neuen Hauptstadt, erst recht nicht, soweit der Bevollmächtigte für das Land spricht: Der Westfale, der seine Berufslaufbahn in Bonn begann, arbeitete nach 1990 als Berater der Regierungen in Potsdam und Dresden.

„Ein Stück Hessen in Berlin“, so Beermann, soll die Vertretung sein. Natürlich – was sonst? Doch sein Haus fällt vor allem als ehrgeiziges Bauwerk auf: von außen durch die verschobenen Ebenen, die den kompakten Baukörper modellieren, nach innen durch den Verzicht auf ein Atrium, ohne das im neuen Berlin doch sonst kein Neubau auskommt. Aber es gibt auch landsmannschaftliche Accessoires. Die helle Fassade gehört dazu: sie besteht aus nordhessischem Quarzsandstein. Es gibt, wie in Bonn, eine Hessen- Stube und eine Riesling-Stube. Eine Bibliothek „Hessen im Buch“, gestiftet vom Verleger- und Buchhändlerverband, ruft die literarischen Hausheiligen des Landes in Erinnerung, von Büchner bis zu den Gebrüdern Grimm und weiter. Und im Garten soll ein Apfelspalier auf das enge Verhältnis der Hessen zum Apfelwein, zum Ebbelwoi hinweisen.

Mit der anderen Aufgabe einer Landesvertretung, das Land den Berlinern nahe zu bringen, sind die Hessen nach ihrem Eindruck gut vorangekommen – weil sie zeitig angefangen haben. Bereits 1993 haben sie ein Büro in Berlin eingerichtet, seit 1995 befand es sich in der Voßstrasse, nur einen Steinwurf von der Vertretung entfernt. In Erinnerung ist noch der laute und fröhliche Abschied von dem Grundstück der alten hessischen Gesandtschaft am Klingelhöfer-Dreieck, das Hessen damals an Dänemark verkaufte, das es in die nordischen Botschaften einbrachte. Bestritten wurde er von der „Pomp Duck and Circumstance“-Show – Hessen-Bezug: Gastronom Hans-Peter Wodarz hat seine Wurzeln in Wiesbaden. Seither hat Hessen immer wieder von sich reden gemacht – etwa mit der Ausstellung der paläontologischen Schätze der Grube Messel, der Präsentation einzelner Regionen des Landes und, nicht zuletzt, den Weinproben der Staatsweingüter. Das erste Sommerfest nach der Einweihung der Landesvertretung fiel allerdings der Weltlage zum Opfer – zwei Tage vorher hatte der Anschlag auf das World-Trade-Center stattgefunden. Umso rauschender, sozusagen als Doppelfête, fiel mit 2500 Besuchern das Sommerfest im Juni dieses Jahres aus.

„Wir wollen das Land für die Stadt erfahrbar machen“, sagt Johannes Beermann. Unübersehbar ist die Vertretung schon, denn als einziges Land zeigt sie wörtlich „Flagge“, indem sie die Landesfahne auf das Dach gepflanzt hat. Zugleich hält sich die Vertretung demonstrativ offen für die Stadt, indem sie im Hause ein öffentliches Bistro eingerichtet hat. Mutig nennt es sich „Mainhattan“. Auf der Karte, natürlich, hessische Spezialitäten.

SERIE (15): LÄNDERVERTRETUNGEN IN BERLIN

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