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Berlin: Das Bistum setzt noch mehr Menschen auf die Straße

Die Katholische Kirche in Berlin plant, mindestens 180 Mitarbeiter zusätzlich zu entlassen. Der Unmut gegen den Erzbischof wächst beträchtlich

Von Claudia Keller

und Martin Gehlen

Das Erzbistum Berlin muss nach Informationen des Tagesspiegels zur Sanierung seiner Finanzen in den nächsten Jahren zusätzlich mindestens 180 Mitarbeiter entlassen. Bisher waren in dem offiziellen Sanierungsplan der Beratungsfirma McKinsey 440 Kündigungen vorgesehen. Grund für diese neuerlichen drastischen Spareinschnitte sind weitere Haushaltslücken, die durch die vorgezogene Steuerreform sowie unerwartet hohe Ausgleichszahlungen Berlins in den Finanzausgleich der deutschen Bistümer entstanden sind. Diese von McKinsey nicht mitkalkulierten Negativposten belaufen sich auf jährlich mindestens acht Millionen Euro.

Aus diesem Grund versucht das Erzbistum nun, in Kooperation mit dem Treuhandausschuss eine Modifizierung des Sanierungsplanes zu erarbeiten. Danach soll 2004 eine höhere Neuverschuldung erlaubt werden, als von McKinsey geplant. Im Gegenzug wird die Phase der Gesamtsanierung zeitlich gestreckt und die Zahl der Kündigungen auf über 600 erhöht. Durch einen solchen Abbau würde das Erzbistum – verglichen zu Stand von Anfang 2003 – mehr als 50 Prozent seines Personals verlieren.

Am Montag tritt der Treuhandausschuss zusammen, der die Sanierung im Auftrag der anderen 26 Diözesen überwacht. Er muss den verschärften Sanierungsplan in Kraft setzen. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass das Gremium die zweite Tranche an Hilfsgeldern in Höhe von 18 Millionen Euro freigibt. Anschließend muss das Erzbistum erneut versuchen, einen realistischen Haushaltsplan 2004 aufstellen. Das wird sich nach Lage der Dinge bis April verzögern. Zusätzlich wird es erhebliche Einschnitte beim Religionsunterricht, der Caritas und den Kitas geben. Über die Höhe dieser Sparbeiträge gibt es noch keine abschließende Klarheit.

Allerdings ist in letzter Zeit der Unmut in den Westdiözesen über das Berliner Finanzgebaren, die anhaltende Führungsschwäche von Kardinal Georg Sterzinsky sowie die mangelnde Kompetenz seiner leitenden Mitarbeiter im Ordinariat beträchtlich gewachsen. Dem Vernehmen nach schwindet die Bereitschaft, dem Berliner Treiben noch weiter zuzusehen. Und der Druck auf den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, wächst, auf einen Rücktritt Sterzinskys hinzuwirken.

Ein entscheidender Faktor dabei sind unter anderem Meldungen, nach denen der vormalige Chef des katholischen Petruswerkes, Bernhard Seebald, im Mai 2003 im Zuge eines Immobiliengeschäfts mit einem Koffer mit 180 000 Euro Bargeld nach Amsterdam gefahren ist, um diese in der Bar des Flughafenhotels in Schweizer Franken umzutauschen. Bei diesem nach deutschem Recht illegalen Geschäft wurde er von Trickbetrügern übers Ohr gehauen. Für das Petruswerk entstand ein finanzieller Schaden von 130 000 Euro, der bis heute nicht ausgeglichen ist. Finanzexperten westdeutscher Bistümer bezeichneten die Transaktion als einen Vorgang aus einem schlechten Krimi.

Auf keinerlei Verständnis stößt in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass das Erzbistum Seebald nicht umgehend entlassen hat. Die Bistumsleitung hatte damals eine fristlose Kündigung zwar erwogen, sie aber nicht vollzogen, um keinen weiteren Imageschaden für das angeschlagene Petruswerk zu verursachen.

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