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Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller.

© dpa

Das Energiekonzept von Berlin: Viel SPD steckt da nicht drin

Der Senatsbeschluss zum Berliner Energiekonzept ist für den linken Teil der SPD ein Desaster - und auch eine Niederlage für den Regierenden Bürgermeister Michael Müller. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Entscheidung des Berliner Senats, mit den Energiekonzernen Vattenfall, Eon und Gaz de France über eine Landesbeteiligung am Gas- und Stromgeschäft zu verhandeln, ist nichts weiter als politische Schadensbegrenzung. Sechs Stunden feilschten SPD und CDU in der Senatsklausur um jedes Wort. Heraus kam ein Formelkompromiss in schlechtem Deutsch, der die großen Differenzen der Koalitionspartner, die Energie- und Ordnungspolitik betreffend, nur mühsam zukleistern konnte.

Die Sozialdemokraten mussten dabei von ihrem Ziel, die öffentliche Daseinsvorsorge in Berlin zu kommunalisieren, Abschied nehmen. Der Rückkauf der Wasserbetriebe ist ihnen zwar gelungen, doch Gas, Strom und Wärme werden wohl auf absehbare Zeit in privater Hand bleiben, jedenfalls zum großen Teil. Für den linken SPD-Landesverband, der sich die Verstaatlichung der Versorgungsnetze auf die Parteifahne geschrieben hat, ist das ein Desaster. Es ist auch eine Niederlage für den Regierenden Bürgermeister Michael Müller, der vor fünf Jahren, noch als Partei- und Fraktionschef, in einem Grundsatzpapier zur Verstaatlichung der Daseinsvorsorge in Berlin aufrief. Er muss jetzt darauf hoffen, nach der Wahl 2016 mit einem linken Regierungsbündnis nachbessern zu können.

Zufrieden sind nach dieser Senatsklausur nur die Christdemokraten. Sie sind mit dem, was Vattenfall und Gasag für die Energieversorgung Berlins bisher geleistet haben, weitgehend einverstanden. Eine beschränkte strategische Partnerschaft des Landes mit den privaten Konzernen ist das einzige Zugeständnis, das der Union abgetrotzt werden konnte. Eine öffentliche Mehrheitsbeteiligung an Gasag oder Vattenfall wird die CDU sehr wahrscheinlich verhindern. Nicht einmal vier Monate, bis Ende August, haben der Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen und die Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer Zeit, um mit den Großunternehmen zu konferieren. Ein komfortables Verhandlungsmandat ist das nicht.

Es mangelt an einer Idee

Ausgeschmückt wurde der Senatsbeschluss mit den üblichen Floskeln aus dem Handbuch für eine nachhaltige Klimapolitik. Berlin soll die führende Smart City in Europa werden, mithilfe intelligenter Netze und innovativer Schübe. Na, denn los! Der Senat hat es bisher allerdings nicht mal geschafft, ein landeseigenes Stadtwerk zu gründen, das ökologisch erzeugten Strom in nennenswerter Menge erzeugen und verkaufen kann. Die Vergabe der Gaskonzession an ein Landesunternehmen wurde vom Landgericht kassiert. Und wie es mit dem Verfahren zum Stromnetz, das auf Eis liegt, weitergehen soll, wurde in der Senatsklausur nur am Rande angesprochen.

Vor allem mangelt es Rot-Schwarz an einer plausiblen Idee, was ein staatlich gesteuerter Betrieb der Energienetze den Verbrauchern, der privaten Wirtschaft und der öffentlichen Hand bringen soll. Sinkende Preise, subventioniert aus dem Landeshaushalt? Eine klimaneutrale Energiepolitik? Dafür haben beide Regierungsparteien keine seriösen Konzepte. Am ehesten zieht noch der pragmatische Ansatz, dass eine enge Kooperation des Landes mit der privaten Energiewirtschaft helfen kann, Berlin zum führenden Standort moderner Energietechnologien auszubauen. Mal sehen, ob die Verhandlungen mit den Gasag-Eigentümern wenigstens dazu beitragen können.

Die Netze braucht Berlin aber nicht. Die komplette Energieversorgung in öffentlicher Hand könnte sogar zu einem gigantischen finanziellen Risiko werden. Wer den Vertrieb von Strom, Gas und Fernwärme übernimmt, muss nicht nur für den Kauf, sondern auch für Unterhaltung und Modernisierung in den nächsten zwei Jahrzehnten einige Milliarden Euro aufbringen. Wer behauptet, dies lasse sich in jedem Fall aus den Netzrenditen refinanzieren, ohne den öffentlichen Haushalt zu belasten, ist wundergläubig. Oder er ist schlauer als die Experten der globalen Energiewirtschaft mit ihren ungesicherten und widersprüchlichen Langzeit-Prognosen. Wobei wir nicht vergessen dürfen, dass die Berliner Sozialdemokraten immer alles besser wissen.

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