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Berlin: Das erste Ziel: Wieder Ruhe in die Gemeinde bringen

Eine Theologiestudentin steht im leeren Dom und übt ein Lied. "Der Herr segne und behüte euch.

Eine Theologiestudentin steht im leeren Dom und übt ein Lied. "Der Herr segne und behüte euch..." Friedrich-Wilhelm Hünerbein bleibt kurz stehen und ruft der jungen Frau zu: "Und jetzt das Kreuzeszeichen." Der neue Domprediger legt Wert auf Symbole, an die sich die preußisch-protestantischen Nachwuchs-Pastoren erst gewöhnen müssen. Zum Gottesdienst trägt er statt des schwarzen Talars lieber eine weiße Albe mit einer Stola in der für den jeweiligen Sonntag vorgesehen Farbe. Wie bei den Katholiken.

Hünerbein, der am Sonntag um zehn Uhr feierlich in sein Amt eingeführt wird, stößt dabei nicht nur auf Gegenliebe. Während die Gemeinde gerne noch mehr Symbole möchte, hat er sich für die Zeremonie doch zu jenem schwarzen Talar durchgerungen, der in Preußen im Jahr 1817 für Pastoren, Richter und Rabbiner vorgeschrieben worden war. Doch dazu wird er die rote Stola tragen, die Farbe der Kirchenfeste.

Kontakt und Zusammenarbeit mit der Gemeinde der St. Hedwigs-Kathedrale hat er sich für seine neue Aufgabe fest vorgenommen. Vor allem bei den Vorträgen und Diskussionen könne man gemeinsam besser arbeiten, sagt der 55-Jährige, der nach den Unruhen um das Ausscheiden seines Vorgängers Martin Beer vor allem Ruhe in die Gemeinde bringen möchte. "Alles hat seine Zeit", beruft er sich auf eine Passage aus dem Buch Prediger, Kapitel 3. "Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit war wichtig, aber jetzt ist sie vorbei." Mehr möchte er dazu nicht sagen. Doch Hünerbein, der seit einem Jahr die vakante Stelle vertritt und nun - auch für ihn selbst überraschend, wie er sagt - zum neuen Domprediger gewählt worden ist, hat die alte Landkarte in der Küsterei noch nicht berichtigt, auf der ein schwarzes Fähnchen die Wohnung seines Vorgängers markiert.

Jedes weiße Fähnchen zeigt, wo ein Gemeindeglied wohnt. Sie kommen aus Wilmersdorf und Köpenick, teils sogar von jenseits der Stadtgrenze. Denn die Domgemeinde ist eine Personengemeinde, hat kein eigenes Territorium wie fast alle anderen Kirchengemeiden in Berlin. Wer dazukommen will, muss einen Antrag stellen und sich aus der bisherigen Gemeinde ausgliedern lassen. Rund 560 Christen haben das bereits gemacht - Tendenz steigend.

Drei Ansätze verfolgt er: Mit Vorträgen sollen jene interessiert werden, denen das Wort wichtiger ist als das Symbol, "für den intellektuellen Zugang zum Glauben." Der Gottesdienst am Sonntag um zehn setzt auf die Liturgie, die jeden Sonntag ein Abendmahl vorsieht und sich im Ablauf genau an der Agende orientiert. Und mit Musik sollen diejenigen erreicht werden, die über Klänge zu Gott finden. Ihnen allen etwas zu bieten, ist sicher nicht einfach. Aber Hünerbein ist zuversichtlich - und er hat Erfahrung.

Bevor er auf seine bisherige Pfarrerstelle in der Parochialgemeinde in Mitte kam, war er Seelsorger in der Gethsemane-Gemeinde in Prenzlauer Berg. Dort hat er die Wende-Wirren und ungeahnten Zulauf zur Kirche erlebt. Auch das hatte seine Zeit, sagt er heute. Aber wenn er über die redet, die damals Zuflucht gesucht und der Kirche dann so schnell in den Rücken gefallen waren, klingt ein bisschen Bitterkeit mit. Da hilft abermals Prediger 3, die Lieblings-Bibelstelle des neuen Dompredigers.

Jörg-Peter Rau

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