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Berlin: Das gallische Dorf in der Schullandschaft

Die Karsen-Schule in Britz ist seit 1948 Gemeinschaftsschule – und stolz darauf

Die PDS rennt mit ihrem Wunsch, in Berlin flächendeckend Gemeinschaftsschulen einzuführen, bei Robert Giese offene Türen ein. Das mag daran liegen, dass der Rektor der Fritz-Karsen-Schule selbst an diesen Plänen mitgearbeitet hat. Es ist seine tiefe Überzeugung, dass nur das Gemeinschaftsschulkonzept auf Dauer sinnvoll sein und die Qualität der schulischen Bildung erhöhen kann: „Dafür müssten wir uns nicht einmal verbiegen, denn das, was hier gerade diskutiert wird, praktizieren wir schon seit 1948“.

Was die Fritz-Karsen-Schule in Neukölln von anderen (Gesamt-)Schulen unterscheidet, ist die Tatsache, dass hier Schüler von der ersten bis zur 13. Klasse unterrichtet werden. Heißt: Sie bleiben zusammen, bis sie ihren Schulabschluss – sei es der erweiterte Hauptschulabschluss, der mittlere Schulabschluss oder das Abitur – in der Tasche haben.

Den Vorwurf der Gleichmacherei, die besonders den leistungsstarken Schülern schade, weil dabei das Lerntempo von den Schwächsten bestimmt werde, winkt Robert Giese ab. Das Gegenteil sei der Fall. Die Schüler profitierten gerade von den unterschiedlichen Leistungen. Dafür allerdings müsse man sich von der Vorstellung verabschieden, dass der Lehrer den Takt für den Lernfortschritt vorgibt. Leistungshomogenität innerhalb einer Klasse hält der Schulleiter für „reine Fiktion“. „Jeder Schüler hat sein eigenes Lerntempo - ob er nun zum Gymnasium, zur Real- oder Gesamtschule geht. Und darauf müssen wir uns einstellen.“

Mit Gruppenarbeit zum Beispiel. Von ihr profitieren nach Ansicht Gieses nicht nur schwache Schüler, die von den stärkeren unterstützt würden. Diese wiederum könnten innerhalb der Gruppe die anspruchsvolleren Aufgaben übernehmen. Auch zurückhaltende Schüler könnten sich in kleinen Gruppen leichter behaupten. „Ganz nebenbei wird so etwas für die soziale Kompetenz des Einzelnen getan.“

Gruppenarbeit reicht aber allein nicht aus, um jeden Schüler seiner Leistung entsprechend zu fördern, wie Giese zugibt. Deshalb bietet die Fritz-Karsen-Schule zusätzlich Förderkurse – obligatorisch für alle Schüler, deren Leistungen in einem Fach nur ausreichend oder schlechter sind, und freiwillig für alle, die mehr machen wollen, als ihnen im regulären Unterricht angeboten wird.

Dass viele Eltern – besonders die künftiger Gymnasiasten – dennoch ein gewisses Misstrauen gegenüber den Gesamtschulen pflegten, hält der Leiter der Fritz-Karsen-Schule für „normal“. Dennoch glaubt er, spreche die verhältnismäßig geringe Zahl derer, die die Gesamtschule in Britz vorzeitig verlassen, für sich. „Nach der vierten Klasse gehen Kinder nur in Ausnahmefällen, nach dem sechsten Schuljahr sind es zwei bis drei pro Klasse und etwa 40 Prozent unserer Schüler führen wir nach der Klasse 10 zum Abitur. Damit müssen wir uns hinter anderen Schulen ganz sicher nicht verstecken“, sagt Robert Giese.

Für die Klasse 7 gebe es zudem jedes Jahr dreimal mehr Bewerber als die Schule aufnehmen könne. Auch das spreche für eine große Akzeptanz der Gemeinschaftsschule. Was die Fritz-Karsen-Schule aber besonders auszeichnet, ist nach Ansicht ihres Rektors die große Solidarität unter Schülern und Eltern. „Im Vergleich zu anderen Schulformen, verbringen die Kinder ihre Schulzeit von der ersten Klasse bis zum Ende der Jahrgangsstufe 11 im Klassenverband, also in vertrauter Umgebung. Ich halte das für einen wesentlichen Punkt unseres Erfolges“, erklärt Gieses Stellvertreter, Ulrich Meuel.

Das wussten offenbar auch Günter Grass und Bezirksstadtrat Wolfgang Schimmang zu schätzen. Der eine ließ seine Kinder hier einschulen, der andere drückte selbst die Schulbank in Britz. Giese: „Seit 1949 im Westen die Einheitsschule abgeschafft wurde, sind wir hier eine Art gallisches Dorf. Der Vorstoß der PDS lässt mich allerdings hoffen, dass dies nicht so bleibt.“ car

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