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Berlin: Das Geheimnis der Panflöten

Ganze 30 Millionen Platten hat Michael Cretu verkauft. Nun erscheint die nächste

Lange hält es Michael Cretu nicht in Berlin aus. „Am meisten ärgern mich die vielen Autos. Die ruinieren jede Großstadt.“ Dabei bleiben dem Musiker Verkehrslärm und Abgase heute erspart: Vor lauter Interviews schafft er es sowieso nicht vor die Tür.

Die meiste Zeit des Jahres lebt Michael Cretu – besser bekannt unter seinem Pseudonym „Enigma“ – auf einem riesigen Anwesen im Nordwesten Ibizas. Nur wenn er ein neues Album veröffentlicht, muss sich Cretu zwangsläufig unter Menschen begeben. Um das zu tun, was ihm am Künstler-Dasein am wenigsten gefällt: Interviews geben und sich fotografieren lassen. Wie jetzt im Hotel Grand Hyatt am Marlene-Dietrich-Platz, schließlich erscheint am nächsten Freitag seine Best-of- Sammlung „15 years after“, eine Komplett-Box mit allen fünf Studioalben und zwei DVDs. Und mit der neuen Single „Hello & Welcome“. Die sollte ursprünglich den Boxer Felix Sturm bei seinem Einmarsch zum WM- Kampf am 26. November begleiten. Leider verletzte sich Sturm vorher am Ellenbogen, der Kampf und die Single-Auskopplung mussten verschoben werden. „Macht nichts“, sagt Cretu, „das wird schon noch“.

Der Künstlername „Enigma“ ist griechisch und bedeutet „Geheimnis“. Und für so manchen Kritiker wird es immer ein Geheimnis bleiben, wie Cretu mit seinen Klang-Collagen aus Mönchsgesang, Pop und Ethno-Einflüssen weltweit 30 Millionen Platten verkaufen konnte – so viel wie kaum ein anderer deutscher Musiker. Mal wird er als „Kitsch-Künstler“ belächelt, mal wegen seiner angeblich „immer gleichen Panflöten-Samples“ angegriffen. Die schlechten Kritiken würden aber seltener, sagt Cretu: „Inzwischen respektiert man mich auch in Deutschland als Künstler.“ Selbst von der deutschen Kirche hat er schon lange nichts mehr gehört. Die hatte ihn 1990 angegriffen, als er mit seiner ersten Single „Sadeness Part 1“ in gleich 24 Ländern auf Platz 1 der Charts landete. Den Klerus störte, dass Cretus Ehefrau Sandra, in den 80er und 90er Jahren selbst als Popsängerin mit Hits wie „Maria Magdalena“ erfolgreich, auf der Platte zu gregorianischen Gesängen aufreizend schwer geatmet hatte. Über die Beschwerden von damals lächelt Cretu noch heute: „Die Menschheit hat einfach zu viel Freizeit.“ Auf den Musiker trifft dieses Urteil sicher nicht zu. Nach seinen Promotion-Terminen fliegt er zurück nach Ibiza, um am nächsten Studioalbum weiterzubasteln. „Enigma 6“ soll es heißen und 2006 erscheinen. Dann kommt Michael Cretu wieder nach Berlin, vielleicht sogar für ein paar Tage länger. „Die Stadt hat ja doch auch charmante Seiten.“

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