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Berlin: „Das Geld war nicht der Grund“

André Heller hat das Aus für seine Gala im Olympiastadion schwer getroffen. Er glaubt der Fifa, dass sie Angst um den Rasen hatte Ein Video soll der Welt nun zeigen, was sie verpasst hat. Derweil plant der Künstler weiter am WM-Kulturprogramm

Herr Heller, die von Ihnen seit Monaten geplante Eröffnungsgala der Fußball- Weltmeisterschaft am 7. Juni im Berliner Olympiastadion ist abgesagt worden. Wie geht es Ihnen?

Ich sitze gerade in Paris und trauere vor mich hin. In meinem Rücken hat sich ein Nerv verklemmt, aber ich nehme ihm das nicht übel. Mein Motto war immer: Man muss sich lernend verwandeln. Ich habe eineinhalb Jahre meines Lebens hergeschenkt und muss hinnehmen, dass nichts von meinen Plänen verwirklicht wird. Nach ein paar Tagen Wutabbau werde ich die Ärmel hochkrempeln und etwas Neues machen.

Wie haben Sie von der Absage der Show durch den Fußball-Weltverband Fifa erfahren?

Ich war am Donnerstag bei einem Routinetreffen bei der Fifa eingeladen und wollte unsere Fortschritte im lange geplanten Konzept vorstellen. Aber bevor es losging, sagte man uns plötzlich: Herr Heller, die Gala findet definitiv nicht statt. Begründet wurde das mit der Rasenproblematik. Vielen Dank, das war’s. Danach bin ich hierher nach Paris gefahren und habe die anderen Künstler getröstet. Was glauben Sie, wie wütend zum Beispiel der Regisseur Philippe Decouflé ist? Der hat für das Projekt einen Spielfilm abgesagt.

Glauben Sie die Begründung der Fifa, die mögliche Beschädigung des Rasens sei der tatsächliche Grund der Absage?

Der Rasen war intern immer ein Thema, das stimmt schon. Aber nachdem wir Ende November das Programm öffentlich in Berlin vorgestellt hatten, hielt ich die Sache für intern sorgfältigst geprüft und erledigt. Jetzt sagt die Fifa: Zu einem bestimmten Zeitpunkt war das Problem geklärt, zum jetzigen Zeitpunkt ist es das nicht mehr. Ich glaube, die Fifa hat sich nach der Berliner Pressekonferenz mit zwei Fraktionen von Rasenspezialisten konfrontiert gesehen. Da hat sich die Fifa-Führung in Zürich gefragt: Haben wir die tausendprozentige Garantie, dass der Rasen rechtzeitig und in höchster Qualität verlegt werden kann? Und so eine Garantie kann einem niemand geben.

Was hatten Sie eigentlich im Olympiastadion vor?

Wir wollten Deutschland und der Welt ein eindrucksvolles, innovatives Qualitäts-Erlebnis schenken. Das gesamte Spielfeld wäre zu einem LED-Bildschirmwunder umgebaut worden. Von zeitgenössischen Künstlern entworfene Muster und hunderte Filmsplitter hätten sich zu einer immer wieder neuen Bühne für 5000 Darsteller entwickelt, die ihrerseits computergesteuerte Kostüme getragen hätten. Eine poetische Bilderflut zwischen Traum und Wirklichkeit.

Vielleicht hat die Fifa Ihr Konzept nicht verstanden.

Uns hat die Fifa niemals gesagt, dass sie unsere Show überdreht findet. Uns hat niemand inhaltlich zurückgepfiffen. Es gab immer Begeisterung für das künstlerische Konzept, das seit mehr als einem Jahr sehr detailliert in Computeranimationen vorlag.

Bislang konnte die Fifa für Ihre Show gerade einmal gut 8000 Eintrittskarten verkaufen.

Das Argument vom schwachen Kartenverkauf ist Unsinn, der Vorverkauf ging doch gerade erst los. Sicher, ich hätte die Karten billiger verkauft, in meiner seit Wochen ausverkauften Zirkusshow „Afrika! Afrika!“ kostet die teuerste Karte lediglich 80 Euro. Die besonders teuren Karten für die Gala waren aber ohnehin für die Sponsoren vorgesehen. Es glaubt doch kein Mensch, dass die Fifa zur Eröffnung einer Weltmeisterschaft das Berliner Olympiastadion nicht voll bekommen hätte.

Es gibt auch Gerüchte, Sie hätten das vorgegebene Budget von 25 Millionen Euro nicht eingehalten.

Der Ansatz stand immer fest, und in diesem Rahmen haben wir gearbeitet. Es gab von uns aus keine Überschreitungen. Das Geld kann nicht der Grund der Absage gewesen sein.

Aber es muss einen geben, Herr Heller!

Natürlich gibt es einen. In der Fifa ist man in der Bewertung der Rasenfrage offensichtlich nicht auf einen Nenner gekommen. Da haben sich manche ausgemalt, welche Katastrophe es wäre, wenn ein brasilianischer Fußballstar beim ersten Spiel am 13. Juni wegen eines lockeren Rasenstücks ausrutscht und verletzt ausscheidet. Da haben die hohen Herren in Zürich gesagt: Unser Geschäft ist Fußball.

Werden Sie jetzt als Chef des WM-Kulturprogramms zurücktreten?

Nein. Das weltweit erfolgreiche Kulturprogramm ist eine Sache des Bundes und der lokalen Organisatoren. Für die Probleme der Fifa können die nichts. Ich werde mit einem hochmotivierten Team für das deutsche WM-Organisationskomitee die Eröffnungszeremonie am 9. Juni in München gestalten – und ebenso das Abschlussfest im Berliner Olympiastadion am 9. Juli.

In Berlin wird nun über eine Ersatzidee für die Eröffnungsgala diskutiert, etwa mit einem Fest am Brandenburger Tor. Was halten Sie davon?

Das ist sicher nett gemeint, aber für solche Dinge stehe ich nicht zur Verfügung. Wir haben eine Show extra für das Berliner Olympiastadion geplant. Sie sollte sich mit der Geschichte des Stadions und der Stadt Berlin auseinander setzen und war auch auf die technischen Gegebenheiten der Arena ausgerichtet. Das kann man nicht umkrempeln und innerhalb der kurzen Zeit einem neuen Ort anpassen.

Wie können die 12 000 freiwilligen Darsteller entschädigt werden, die mehrere Monate lang in Berlin Choreographien eingeübt haben?

Wir haben schon gemeinsam mit den beteiligten Künstlern darüber gesprochen. Ich denke da an Sondervorführungen der Show „Afrika! Afrika!“ und hoffe, dass die Fifa die Freiwilligen großzügig und liebevoll entschädigt. Peter Gabriel will Splitter der bisherigen Arbeiten und Kompositionen zu einem Video verwenden, damit man weltweit wenigstens eine Ahnung von dem bekommt, was wir hier geplant hatten.

Und wer tröstet Sie?

Mich tröstet das viele Wunderbare und Gelungene, das mir in meinem Leben begegnet ist. Nun wende ich mich neuen Plänen an unterschiedlichen Orten in Europa und Asien zu, von denen ich annehmen darf, dass sie auch verwirklicht werden.

Das Gespräch führte Robert Ide.

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