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Berlin: Das Geschäft mit den Pollen

Allergiker sind für die Pharmafirmen eine lohnende Kundschaft, besonders mit Loratadin lässt sich gut verdienen. Das Angebot ist vielfältig – und oft verwirrend

Der kühle Karfreitag brachte nur eine kurze Verschnaufpause für Pollenallergiker. Und das Schlimmste kommt noch. Die Fachleute erwarten für die nächsten Tage eine „explosionsartige Blüte“ der Birken, mit all den Belastungen für die Allergiker: tränende Augen, juckende Gaumen und fließende Nasen. Das bedeutet viel Umsatz für die Apotheken. Allergologen raten den Betroffenen, sich behandeln zu lassen, um einen „Etagenwechsel“ des Heuschnupfen hin zum allergischen Asthma zu vermeiden – und bei den Pharmafirmen klingeln die Kassen. Gerade jetzt flimmern wieder Werbespots für Anti-Allergiemittel über den Bildschirm und füllen die Seiten der Zeitschriften. Viele dieser Arzneien – darunter diejenigen mit einem der gängigsten Wirkstoffe Loratadin – sind in Apotheken freiverkäuflich, doch es gilt: Immer erst den Arzt aufsuchen, um die Ursache der Allergie zu klären!

Den Medizinern steht eine breite Palette von Medikamenten zur Verfügung. Neben Augen- und Nasentropfen gibt es so genannte Anti-Histaminika zum Schlucken, meist in Tablettenform, die gegen alle Symptome gleichzeitig wirken. Der in Deutschland am häufigsten angewandte Vertreter dieser Gruppe ist das Loratadin, entsprechend unübersichtlich ist das Angebot. Mittlerweile sind es über 20 Marken, die alle Loratadin enthalten, darunter Lorano, Vividrin oder Livotab. Sie alle wirken auf das Immunsystem, speziell auf den Histamin-Haushalt. Der Körper bildet Histamin als Überreaktion auf die Pollen und löst damit die typischen Allergie-Beschwerden aus. Loratadin sorgt dafür, dass das Histamin abgebaut wird.

Dieser Wirkstoff ist ein Beispiel für die im Rahmen der Gesundheitsreform immer wieder diskutierten Generika, Nachahmerpräparate also. Der Patentschutz für das Original ist abgelaufen, nun drängen immer mehr Anbieter von Loratadin-haltigen Arzneien auf den Markt. Es lohnt sich also, die Preise zu vergleichen. Bei einer Packung mit 20 Tabletten liegt der Unterschied zwischen dem günstigsten und teuersten Anbieter bei einem Euro – für einen Allergiker, der im ganzen Frühjahr und Sommer unter den Pollen leidet und jeden Tag eine Pille schlucken muss, kann das 90 Euro Unterschied pro Saison ausmachen. Dabei gilt: Je kleiner die Packung, desto teurer die Einzel-Tablette. Besonders viel zahlt der Kranke für eine der Siebener-Packungen, die häufig mit dem Zusatz „akut“ vermarktet werden – was an dem Inhaltsstoff nichts ändert. Dieser Namenszusatz und der hohe Preis stammen aus einer Zeit, als die Großpackungen noch verschreibungspflichtig waren und die kleinen freiverkäuflich. Diese Trennung gilt nach Angaben des Dachverbandes der Pharmafirmen für Loratadin-Präparate nicht mehr.

Loratadin wird für die Pharmaindustrie ein lukratives Geschäft bleiben: Denn die Zahl der Allergiker wächst – und Ärzte sind von dem Mittel überzeugt. „Es ist sehr gut verträglich und macht nicht müde, wie viele andere Histaminblocker“, sagt Eveline Blitstein-Willinger, Allergologin in Schöneberg. „Selbst Piloten dürfen es verwenden.“ Auch eine langanhaltende Einnahme sei unproblematisch. „Allerdings empfehle ich meinen Patienten, an regnerischen Tagen, wenn die Pollenbelastung abklingt, keine Tablette zu schlucken.“ Obwohl Loratadin auf das Immunsystem wirke, müsse niemand befürchten, dass die Abwehr von Krankheitserregern eingeschränkt wäre. „Die Arznei beeinflusst nur den Mechanismus, der für die allergischen Reaktionen zuständig ist.“

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