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Berlin: Das Geschäft mit den Sprechblasen

Berlin ist das Zentrum der deutschen Comic-Szene. Heute trifft sich die Branche zur Messe in Erlangen

Gimmicks ziehen immer. Das ist der Yps- Effekt, weiß Frank Knau. Der 48-Jährige ist Geschäftsführer des Verlages Egmont Ehapa. Mehr als 30 Zeitschriften für Kinder und Jugendliche produzieren seine rund 200 Mitarbeiter (die Hälfte davon fest angestellt) im Berliner Verlagssitz in Mitte, von „Micky Maus“ und „Winnie Puh“ bis „Bibi Blocksberg“ und „Sponge Bob“. Dazu kommen diverse Comicserien mit Disney-Klassikern, allen voran das „Lustige Taschenbuch“ mit zeitlosen Geschichten aus Entenhausen. Die meisten Zeitschriften des Verlages verbinden Comics aus ausländischen Zeichenstudios mit Beiträgen aus Berlin. Und kaum eine kommt ohne das aus, was in den 70er Jahren die Zeitschrift „Yps“ groß machte: Gimmicks, beigelegtes Spielzeug, das es kleinen Kunden leichter macht, ihr Taschengeld zu investieren. Unangefochtener Spitzenreiter: das Furzkissen.

„Lesen, Spielen, Lachen sind eine untrennbare Einheit geworden“, sagt Frank Knau. 100 Millionen Euro Jahresumsatz macht sein Verlag mit den bunten Heften, die in Berlin erstellt und redaktionell bearbeitet werden, darunter auch die aus Frankreich importierten Abenteuer von Asterix und Obelix. Weitere 45 Millionen Umsatz steuern die Filialen in München, Köln und Stuttgart bei, bei denen auch Comicbücher für erwachsene Leser erscheinen. Der Verlag, eine Tochter der dänischen Egmont-Gruppe, ist der Platzhirsch unter den Comicverlagen, in Berlin und auch deutschlandweit. Mit Ehapa und einer Hand voll kleinerer Verlage ist in Berlin etwa 90 Prozent der deutschen Comic-Verlagswirtschaft vertreten. In diesen Tagen zieht es die Szene allerdings nach Bayern: In Erlangen findet von heute an bis zum Wochenende der Comicsalon statt, das zweijährliche Gipfeltreffen der Zeichner, Verleger und Fans.

Hinter Egmont Ehapa steht ein Unterhaltungsimperium, das in 22 Ländern Vertretungen hat. Inhaber ist die dänische Egmont-Stiftung, die mit ihren Gewinnen soziale Projekte für Kinder finanziert. Da viele Comics international austauschbar sind, ergebe die Vernetzung große Synergie-Effekte, erklärt Knau. Rund 12 000 Comicseiten im Jahr lässt der Verlag im eigenen dänischen Comicatelier zeichnen, fast noch einmal so viel stammt aus den Disney-Ateliers in Italien.

Weil Egmont eine einmal entstandene Comicgeschichte in so vielen Ländern einsetzen und verwerten kann, sinken für die einzelnen Niederlassungen die Kreativkosten auf ein Niveau, von dem andere Verlage nur träumen können. Und Knau hat, der Kooperation mit Disney sei Dank, Titel im Angebot, die bei Kindern hoch im Kurs stehen: Alleine von der „Micky Maus“ verkauft der Verlag jede Woche um die 400 000 Exemplare. Und das trotz der wachsenden Konkurrenz durch Fernsehen, Internet und Elektro-Spielzeug. Was den kleinen Kunden gefällt, finden Knau und sein Team unter anderem in regelmäßigen Diskussionen mit Kindern im Verlagsgebäude heraus, intern „Cola-Kränzchen“ genannt. Der Boom der japanischen Manga-Comics wirkt sich bislang nur teilweise aus. Zwar dominieren Manga zunehmend den Comicbuchhandel. Im Zeitschriftengeschäft ist der Anteil aber noch gering.

Von Verkaufszahlen, wie sie der große Konkurrent hat, kann Klaus D. Schleiter nur träumen. Er ist Herausgeber der Kinderzeitschrift „Mosaik“. Das monatliche Comicmagazin mit den Abenteuern der drei Abrafaxe – Fortsetzung der erfolgreichen DDR-Comicserie – ist allerdings in anderer Hinsicht Spitzenreiter in Berlin. Kein Verlag produziert und verkauft so viele eigene Comicseiten wie Schleiters Verlag „Mosaik Steinchen für Steinchen“. Im Verlagssitz in Westend arbeiten Autoren, Zeichner und Layouter Hand in Hand, um Monat für Monat die Zeit- und Weltreisen von Abrax, Brabax und Califax zu Papier zu bringen. 20 Mitarbeiter hat der Verlag, 2,8 Millionen Jahresumsatz macht er laut Schleiter, die monatliche Auflage des Mosaik-Magazins liegt bei knapp 100 000 Heften. Dazu kommt eine steigende Zahl von Lizenzen für Nachdrucke in aller Welt: Die Abrafaxe kann man in Griechenland, Ungarn und Vietnam lesen. 21 Länder haben Lizenzen gekauft, ein Erfolg, den der Verlagschef mit den nicht auf Deutschland beschränkten Abenteuern der Hauptfiguren erklärt, die auch Kinder in anderen Ländern begeistern.

Auf Gimmicks dagegen verzichtet der Verlagschef, der die Mosaik-Lizenz in der Nachwendezeit von der Treuhand erwarb. Er spricht in der Werbung gezielt nicht die Kinder alleine an, sondern auch deren Eltern: „Die achten nicht auf beigelegtes Spielzeug, sondern auf Inhalte“, weiß Schleiter. Das scheint zunehmend auch im Westen anzukommen, wo das Heft nach der Wende erst bekannt werden musste. Inzwischen verkauft Schleiter in den westlichen Bundesländern fast ein Drittel der Auflage. Zusätzlich gibt der Verlag das monatliche Comicmagazin „Zack“ mit frankobelgischen Comics heraus, dazu Bücher mit gesammelten Comicgeschichten.

Der große Idealist unter Berlins Comicverlegern ist Dirk Rehm. Der 42-Jährige hat sich mit seinem Schöneberger Reprodukt-Verlag auf niveauvolle Bildgeschichten für erwachsene Leser spezialisiert. Damit hat er sich und den von ihm vertretenen anspruchsvollen Zeichnern ein hohes Ansehen weit über Berlin hinaus erworben. Hier erscheinen die Werke der Creme der europäischen Kunstcomicszene, von Manu Larcenet und Atak bis zu Joann Sfar und Lewis Trondheim, dazu doppelbödiger Humor der Berliner Lokalmatadore Mawil und Fil – letzterer mit seiner Serie „Didi & Stulle“ seit Jahren Bestseller des Verlages. Auch die Bücher des Zeichners Arne Bellstorf, der die neue Comicseite des Tagesspiegels am Sonntag zeichnet, erscheinen bei Reprodukt. Um die 15 neue Bücher kommen jährlich raus, der Umsatz von 200 000 Euro fließt wieder ins Geschäft. Geld können Verleger Rehm und seine drei als Praktikanten und Minijobber beschäftigten Mitarbeiter damit kaum verdienen, sagt er. Für den Lebensunterhalt lettert der Verleger Comics bei anderen Verlagen, das heißt, er zeichnet Textpassagen und Worte in Sprechblasen. Ähnlich geht es anderen Miniverlegern, die in Berlin anspruchsvolle Erwachsenencomics verlegen, wie Johann Ulrich mit seinem Avant-Verlag. Das ist der Preis, wenn man statt auf Gimmicks auf anspruchsvolle Kunst setzt.

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