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Berlin: „Das hätte jeden von uns treffen können“

Tausende Polizisten und Bürger gedachten des erschossenen SEK-Mannes und demonstrierten gegen Gewalt

„Wir trauern um Roland K.“ steht auf dem schwarzen Schild, das aus der Masse der grün uniformierten Polizisten herausragt. Die 63-jährige Doris Sch. hebt es mit einer Hand in die Höhe, in der anderen hält sie einen weißen Trauerstrauß. „Hätte der Einsatz etwas früher stattgefunden, hätte es vielleicht nicht Roland Krüger erwischt, sondern meinen Sohn“, sagt die Rentnerin mit stockender Stimme. Ihr Sohn ist Rauschgiftfahnder, seine Einheit sollte vergangene Woche eigentlich bei der Erstürmung der Wohnung im Neuköllner Rollbergviertel dabei sein. Aber dann übernahm das Spezialeinsatzkommando die Aufgabe, dabei wurde Roland Krüger von einem gesuchten Gewalttäter erschossen. „Seitdem lässt mich der Gedanke nicht mehr los, dass es mein Sohn hätte sein können“, sagt Doris Sch. und wendet sich ab.

Etwa 4000 Polizisten, Bundesgrenzschützer und Feuerwehrleute und auch viele betroffene Bürger gedachten gestern mit einem Trauermarsch des getöteten Beamten. Schweigend zogen sie von der Neuköllner Werbellinstraße, in deren Nachbarschaft der Beamte getötet wurde, zum Polizeipräsidium am Platz der Luftbrücke. Es ging beklemmend ruhig zu, Passanten blieben am Straßenrand stehen und schauten nachdenklich zu, wie der Zug still in der Sonne vorbeizog. An der Spitze marschierte Innensenator Ehrhart Körting (SPD), neben ihm die Chefs der Polizeigewerkschaften. Der Personalratsvorsitzende Werner Throniker trug ein schwarz umrandetes Foto des Toten vor sich. Der erschossene Beamte hinterlässt seine Freundin und eine neun Monate junge Tochter.

„Das hätte jeden von uns treffen können“, sagt Polizeioberkommissar Gerd K. (41). Er und seine Kollegen wollen mit dem Marsch auch gegen die zunehmende Gewalt gegen Polizisten demonstrieren. „Jeder von uns, der auf der Straße Dienst tut, erlebt das“, sagt der bärtige Streifenpolizist. Neulich erst seien er und ein Kollege brutal angegriffen worden, als sie an einer Neuköllner Wohnungstür wegen Ruhestörung geklingelt hatten. Andere Kollegen seien angeschossen worden, verprügelt, bespuckt.

„Wie sehr die Gewalt gegen uns zugenommen hat? Kommen Sie am Donnerstag nach Kreuzberg, da sehen Sie’s!“, sagt Stefan K. mit Wut in der Stimme. Der 29-Jährige ist seit einigen Jahren „in vorderster Front“ dabei, wenn am 1. Mai die Steine fliegen. Daran muss er jetzt denken, wenn er durch Neukölln marschiert. „Kollegen wurden direkt neben mir schwer verletzt, und jedes Mal mache ich drei Kreuze, wenn’s mich nicht erwischt“, sagt der drahtige Mann. Von den Bürgern, die sich dem Marsch angeschlossen haben, schimpfen manche unverhohlen auf „die Ausländer“, die die Gewalt in die Stadt brächten. Der Einsatz, bei dem Roland Krüger ums Leben gekommen war, hatte einer Bande gegolten, deren Mitglieder überwiegend aus dem Libanon stammen. Nicht in dieses Feindbild passen Sahin Ekinci und Ycel Öczan, zwei Türken aus dem Rollbergviertel. „Wir wollen zeigen, dass wir genauso betroffen sind wie alle anderen“, sagt der 32-jährige Ekinci. „Die Polizisten sind auch unsere Schutzengel.“

Spenden für die Familie des getöteten Polizisten können auf dieses Konto überwiesen werden: Verein Grüner Stern Berlin e.V., Konto-Nr. 1288597801, SEB-Bank, Bankleitzahl 10010111, Stichwort: Polizistenmord.

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