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Berlin: Das Hauptstadt-Studio

Berlin bietet spannende Kulissen für Dreharbeiten. Vor allem Amerikaner schätzen die filmfreundliche Atmosphäre

Berlin ist auf allen Bildschirmen. Die Serie „Edel & Starck“ spielt hier, natürlich auch „Berlin, Berlin“. Der Werbespot für Tempo-Taschentücher wurde in einer Berliner Straßenbahn gedreht, im Video der Boy-Band Overground zu „Schick mir n’en Engel“ zeichnet sich die Silhouette des Fernsehturms ab. Oscar-Preisträger Matt Damon sprintet demnächst in „The Bourne Supremacy“ durch vermeintliche Moskauer Straßen, die eigentlich in Mitte liegen. Und Jackie Chan boxt sich in „80 Tagen um die Welt“ durch London, das eigentlich am Gendarmenmarkt liegt. Die Faszination der Stadt für Filmemacher hat trotz der Budgeteinbrüche der letzten Jahre nicht nachgelassen. „Wir hatten im ersten Halbjahr 2003 ein Anfragevolumen von 50 Millionen Euro. Insgesamt können wir aber nur 15 Millionen Euro Fördergelder vergeben“, sagt Sigrid Herrenbrück, Pressesprecherin des Medienboards Berlin-Brandenburg. Nur Musikvideos werden nicht mehr so häufig produziert.

Anja Grünewald kann die gute Auftragslage bestätigen. Seit 1997 arbeitet sie als „Locationscout“, das heißt sie sucht Kulissen für Fernseh-, Werbe-, und Filmproduktionen, manchmal auch für Partys oder bei reichen Kunden auch das ideale Haus, das auf Wunsch auch ausgestattet wird. „Berlin ist eine Riesenspielwiese. Es vergeht keine Woche, in der nicht etwas Neues entsteht.“ Am liebsten stöbert die gebürtige Münsteranerin Orte auf, in die man sonst keinen Einblick bekommt: Villen mit Pool und eingebautem Fitnessstudio oder illegale Künstlerclubs in alten Abbruchhäusern.

Ihr Alltag sieht von Auftrag zu Auftrag sehr unterschiedlich aus. Wird eine Jugend-WG gesucht, stöbert sie ihre Datenbank mit tausenden von Bildern durch. Wollen die Kunden ein ausgefallenes Loft, ruft sie Kontaktpersonen aus dem Künstlermilieu an, für moderne Büros Bekannte, die in einer Bank arbeiten. Was in die engere Auswahl kommt, wird abgelichtet und an die Kunden geschickt, immer mehrere Motive zum Vergleich. Bei der Suche verlässt sie sich auf ihre „Spürnase“. „Ich kann auch nicht erklären, warum ich manchmal links abbiege anstatt rechts, und dann vor dem richtigen Motiv stehe.“ Für Werbekunden reichen meist drei Tage Recherche. Für Fernsehfilme ist sie auch schon mal wochenlang unterwegs. Manchmal gibt es so ausgefallene Wünsche, dass sie mit einer Originalkulisse nicht herstellbar sind. So verwandelte sich die Passage unter dem Potsdamer Platz für die Dauer eines Drehs in einen hochmodernen Flughafen. Noch nie ist sie nicht fündig geworden. „New York, Paris, Rom in Berlin, das geht alles“, sagt sie.

Es ist die Vielfalt von Motiven, die Filmemacher nach Berlin zieht. Von futuristischen Skylines bis zu verträumten Seen auf dem Land gibt es im Umkreis von nur 100 Kilometern jeden erdenklichen Hintergrund. „Nur das Meer fehlt“, sagt Anja Grünewald. Bei Drehs an öffentlichen Plätzen helfen die Behörden inzwischen aktiv mit. Das verdanken die Filmemacher der Senatsinitiative „Berlin-Filmfreundliche Stadt“ und der Aufklärungsarbeit durch das Medienboard Berlin, das immer wieder Seminare und Informationsgespräche organisiert. Wer in U-Bahnen, auf der Spree, in Polizeiwagen oder in Parks drehen möchte, kann sich inzwischen an direkte Ansprechpartner wenden. Auch Privatleute vermieten mittlerweile bereitwilliger ihre Wohnung für einen Dreh. „Für den Film ist es in dieser Hinsicht gut, dass es Berlin schlecht geht“, sagt Anja Grünewald. „Die Menschen wissen, dass sich mit einem Dreh Geld machen lässt.“ Sogar Prominente lassen Produktionsteams zu sich nach Hause. Sie reden allerdings nicht so gerne darüber.

Filme wie „Der Pianist“ oder „Taking Sides“ haben für Berlin einen großen Werbeeffekt gehabt. „Gerade die Amerikaner sind beeindruckt, was für Gebäude hier herumstehen“, sagt Sascha Schwingel, Produzent bei der Berliner Produktionsfirma Teamworx.

Mit den Filmen ist auch Fachpersonal nach Berlin gekommen. „Wenn ein Mitglied der Filmcrew ausfällt, gibt es direkt vor Ort Ersatz. Das macht Berlin derzeit in Deutschland zum Produktionsstandort Nummer eins“, meint Raphael Kains, Sprecher von Phoenix Film.

Und die Motive werden täglich mehr, sagt Anja Grünewald. „Durch den Mauerfall sind ganz andere Möglichkeiten entstanden. Es gibt hier Platz, den andere Großstädte wie London oder Paris nicht haben.“ Für sie steht Berlin noch am Anfang seiner filmischen Entwicklung. „Wenn die amerikanischen Filmproduzenten all das kennen würden, was ich hier schon gesehen habe - sie würden nur noch hier drehen.“

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