zum Hauptinhalt

Berlin: Das Herbst-Thema in Berlin wirft seine Schatten voraus

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus: "Japan in Deutschland" bildet in diesem Herbst bundesweit und damit natürlich auch in Berlin einen der Themenschwerpunkte des Kulturgeschehens. Bevor die Berliner Festspiele und zahlreiche weitere Institutionen mit ihrem Reigen an Programmbeiträgen beginnen, gibt Asian Fine Arts einen Vorgeschmack auf die Begegnungen mit Japan.

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus: "Japan in Deutschland" bildet in diesem Herbst bundesweit und damit natürlich auch in Berlin einen der Themenschwerpunkte des Kulturgeschehens. Bevor die Berliner Festspiele und zahlreiche weitere Institutionen mit ihrem Reigen an Programmbeiträgen beginnen, gibt Asian Fine Arts einen Vorgeschmack auf die Begegnungen mit Japan. Im Mittelpunkt stehen Arbeiten junger japanischer und deutscher Künstler. Gezeigt werden Werke, die vor dem Hintergrund der Erfahrungen im jeweils fremden Kontext entstanden sind. Die deutschen Künstler bereisten Japan. Alle japanischen Künstler waren oder sind noch in Berlin zu Gast.

Der Maler Naofumi Maruyama entwickelte bereits während seines ersten Aufenthalts in Deutschland eine neue Bildsprache. Einflüsse der deutschen Romantik, sein Interesse für Märchen und Sagen, das Motiv des Waldes fanden ihre ganz eigene Umsetzung. Maruyama nahm mit diesem Zyklus an der Ausstellung "MOT Annual 1999 / Modern Radicalism" des Museum of Contemporary Art in Tokyo teil, wo er einen beachtlichen Erfolg erzielte. Nun arbeitet er dank eines Stipendiums in Berlin. Bei Asian Fine Arts zeigt er seine neuste Serie "Temperierte Zeit (Winter)". Die Leichtigkeit japanischer Tuschemalerei geht auf den Leinwänden eine beeindruckende und zeitgenössische Liaison mit westlichen Stilelementen ein. Kaum mehr als einen traumverlorenen Hauch hinterlassen seine Pastellfarben auf der Bildfläche. Abstrakt erscheinen die zarten Winterstimmungen zunächst. Bis sich aus winzigen, dynamischen Farbformen die Silhouetten von Skifahrern und einsamen Wanderern im Schnee herauskristallisieren.

Die Berlinerin Susanne Lorenz wiederum war 1998 als DAAD-Stipendiatin in Japan. Sie hat im Hinterhof vor der malerischen Ruinenkulisse der verfallenen Aufgänge zu den Sophienhöfen ihren fiktiven japanischen Garten angelegt. Als sanfte, grasbewachsene Hügellandschaft wölbt sich Japans heiliger Berg, der Fudschijama, gleich dreißigfach. Die Miniaturgipfel ihrer Installation "Nach Japan" verkörpern modellhaft das Ideal eines Berges in seiner absoluten Harmonie. Nach dem Vorbild traditioneller Landschaftsgärten hat sie ihr modernes Gartenbild als Reiseerinnerung geschaffen. Durch das Galeriefenster ist es wie ein gerahmtes Gemälde zu betrachten.

Der Berliner Designer Oliver Prestele sorgt hinter dem Tresen seiner Suppen-Bar "Ramen" für eine sinnenfrohe Erfahrung japanischer Lebenskunst, die durch den Magen geht. Mehrfach bereiste er zuvor Japan und studierte in nahezu allen Provinzen die Rezepte der dort so beliebten Suppenküchen. Auf einem Fotofries weiht er den Besucher in deren Geheimnisse und Essrituale ein und serviert Kostproben. Die Foto-Serie "Kitchen" von Kousuke Nishimoto widmet sich anschließend dem Abwasch. Spülschwämme und schmutzige Geschirrberge, Gewürzregale oder Wassertropfen an der Wand rückt er ins Kunstlicht und verwandelt sie in besondere Still-Leben gewöhnlicher Dinge.

Masahiro Suda aus Tokyo ist Teilnehmer des seit letzten Oktober bestehenden Artists in Residence-Programms von Manabi Murata. Er schläft und arbeitet in der einfachen Galerieklause von Murata & friends. Für die Ausstellung "Aufenthalt" malt er jeden Tag ein Bild mit waagrechten und senkrechten Streifen in Anlehnung an die abendländische und die ostasiatische Richtung des Schreibens. Schrift soll "dem Gedächtnis zum Ausdruck verhelfen". Bei seinen Bildern übernimmt Farbe die Funktion der Buchstaben.

In der Galerie Mori Ogai ist Tsuyoshi Ozawas "New Nasubi-Gallery" zu sehen. Achtzehn Künstlerinnen und Künstler in Berlin folgten seiner Einladung, Holzkästen zu gestalten, in denen Japaner traditionell Milch geliefert bekommen. Die Beschränkung auf das Guckkastenformat hat durchaus seinen Reiz. Peter Welz bringt sogar das Kunststück fertig, in dem nur nistkastengleichen Gehäuse ein Video vorzuführen. Ozawa machte mit seinem Kunstbauchladen Furore, als er die "kleinste mobile Galerie der Welt" in der Wiener Sezession als Ausstellung in der Ausstellung "Cities on the Move" vorstellte. Die witzige Idee wurde aus der Not und als Protest gegen starre Kunstmarktstrukturen geboren. Eine Lösung, um jungen Künstlern trotz unbezahlbar hoher Galeriemieten eine Ausstellungschance zu eröffnen. Inzwischen erlebt aktuelle Kunst aus Ostasien regelrecht einen Boom. Woher kommt der Trend, ist er nur eine vorübergehende Modeerscheinung? Kündigt sich auch hier bereits die kommende documenta von Okwui Enwezor an? Alexander Ochs von Asian Fine Arts stellt seit etwa einem halben Jahr fest, dass sich die Schere zwischen lebhaftem Publikumsinteresse, Informationsbedarf und qualifiziertem Kaufinteresse der Sammler zu schließen beginnt. Indizien für dieses Interesse sind zahlreiche Großausstellungen, die nunmehr Künstler aus Ostasien zahlenstark beteiligen. Von Harald Szeemanns vielbeachtetem Beitrag zur Biennale in Venedig bis zu Marc Scheps "Kunstwelten im Dialog" ab November im Museum Ludwig. Die Künstler befinden sich heute in einer anderen Situation. Eine neue Generation ist herangewachsen, die im Westen die Sprache der Moderne kennengelernt und in ihre Arbeit integriert hat, die andererseits zugleich weiterhin in ihren Heimatländern lebt. Dadurch sprechen die Künstler eine Bildsprache, die man im Westen ohne Schwierigkeiten versteht.

Die Inhalte jedoch sind andere, ostasiatisch geprägte. Stärker als im Westen spielen Sinnsuche, Elemente des Spirituellen und der Emotionen eine zentrale Rolle. Das macht diese Kunst anziehend. Das derzeit immense Interesse speziell an chinesischer Kunst hingegen sieht Ochs als "Fashion", es habe vorwiegend politische Hintergründe. Es werde sich auf ein normals Maß einpegeln. Inzwischen aber gelte für die Kunst: "Es gibt nur eine Welt und die geht uns was an."Mori Ogai Aktionsgalerie, Große Präsidentenstraße 10, und Asian Fine Arts Factory, Sophienstraße 18, beide bis 25. September; Dienstag bis Sonnabend 12 - 19 Uhr.

Ramen, Soups & Drinks bei Asian Fine Arts, Dienstag bis Sonntag, 17 - 22 Uhr.

Murata & friends, Rosenthaler Straße 39, bis 3. September; Dienstag bis Sonnabend, 13 - 20 Uhr.

Elfi Kreis

Zur Startseite