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Das Herz im Westen: Klaus Schütz beim Tagesspiegel

Der Ex-Regierende Klaus Schütz gab den Auftakt zur Tagesspiegel-Diskussionsreihe mit ehemaligen Regierenden Bürgermeistern.

West-Berlin bleibt für Klaus Schütz eine Herzensangelegenheit. Das Vermächtnis der Teilstadt gelte es zu bewahren, sagte der SPD-Politiker bei der Auftaktveranstaltung der Tagesspiegel-Diskussionsreihe mit ehemaligen Regierenden Bürgermeistern am Mittwochabend. Im Gespräch mit Tagesspiegel-Herausgeber Hermann Rudolph und der früheren landespolitischen Korrespondentin Brigitte Grunert erinnerte Schütz, der Berlin von 1967 bis 1977 regierte, an die Leistung der Menschen in der ummauerten Stadt. „Die Menschen sind hier geblieben und haben es geschafft, eine moderne Großstadt aufzubauen“, sagte Schütz. „Das ist eine Leistung, auf die wir alle stolz sein können.“ Heute sei Berlin „eine Ansammlung von Menschen, mit denen sich viele in der Welt verbunden fühlen und mit denen sie leben wollen“. Für den Ex-Regierenden ist das auch „eine der großen Nachwirkungen“ der West-Berliner Geschichte. „Wir müssen aufpassen, dass wir das, was wir von West-Berlin mitgekommen haben, nicht verlieren“ sagte Schütz und mahnte: „Wir dürfen nicht fremdenfeindlich werden.“

Als Bundestagsabgeordneter erlebte Schütz am Tag des Mauerbaus 1961 einen Regierenden Bürgermeister Willy Brandt, den er „selten so wütend“ erlebt hat. Brandt sei zur Alliierten Kommandantur gefahren, habe die Vertreter der Westmächte beschimpft und einen bösen Brief an US-Präsident Kennedy geschrieben. „So einen Quatsch machen Sie nicht noch einmal“, mahnte dessen Vize Johnson bei seinem anschließenden Berlin-Besuch.

1963 war für Schütz, inzwischen Senator für Bundesangelegenheiten, das zentrale Jahr, von dem die Grundstimmung der Bevölkerung in der Folgezeit geprägt wurde. Kennedys Rede im Juni vor dem Rathaus Schöneberg habe den Menschen die Angst genommen, die Alliierten könnten West-Berlin im Stich lassen. Und die im Dezember heimlich mit der DDR-Führung ausgehandelte Passierscheinregelung ermöglichte den West-Berlinern erstmals seit dem Mauerbau wieder Ostbesuche. „Wir haben ein Tabu gebrochen, eine solche Vereinbarung hätte es eigentlich nicht geben dürfen“, erinnerte sich der Sozialdemokrat. „Das war einer der großen Erfolge unsere Politik“.

1967 musste sich Schütz, gerade ein Dreivierteljahr Staatssekretär im Bonner Außenministerium. „überwinden“, nach Berlin zurückzukehren. Hier war der Regierende Bürgermeister Heinrich Albertz nach den Krawallen beim Schah-Besuch, bei denen der Student Benno Ohnesorg erschossen wurde, zurückgetreten.

Seine damals nicht unumstrittene Politik, West-Berlin zu einer modernen Großstadt zu machen, bezeichnete Schütz als Versuch, eine Vision aufzubauen. West-Berlin habe in jener Zeit eines der besten Verkehrssysteme der Welt erhalten. Die Förderung von Firmen, die sich in der geteilten Stadt engagierten, sei trotz gelegentlichen Missbrauchs ebenso richtig gewesen wie der Bauboom. Dass sich der Steglitzer Kreisel später als Bauskandal erweisen sollte, habe man nicht ahnen können. „Bei der Grundidee, da sammelt jemand steuerbegünstigte Mittel in Westdeutschland und baut damit hier etwas hin, konnte ich nicht dagegen sein.“

Die Menschen zum Bleiben in der Stadt zu motivieren, „obwohl wir ihnen keine Perspektive über den Augenblick hinaus bieten konnten“, war eine entscheidende Aufgabe, so Schütz. Das habe sich erst 1971 mit dem Viermächteabkommen grundlegend geändert. Zuvor ungeschriebene Gesetze seien festgeschrieben worden. „Damit haben wir bis zur Wiedervereinigung besser leben können als vorher.“

Der nächste ehemalige Regierende Bürgermeister im Tagesspiegel-Gespräch unter dem Motto „Berlin – wo kommt es her, wo geht es hin?“ ist am 8. Juni Hans-Jochen Vogel. Es folgen Richard von Weizsäcker (15. Juni), Walter Momper (20. Juni) und Eberhard Diepgen (27. Juni). Die Veranstaltungen beginnen jeweils um 18 Uhr (Einlass ab 17.30 Uhr) im Verlagshaus am Askanischen Platz 3. Der Eintritt kostet inklusive Begrüßungssekt 14 Euro. Anmeldung unter Tel. 20021 520 oder unter www.tagesspiegel.de/shop . Rainer W. During

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