zum Hauptinhalt

Berlin: Das Kind geschüttelt, weil es schrie – jetzt ist es halb blind Vater gesteht vor Gericht Misshandlung seines Babys

Seine Verlobte hält dennoch zu ihm: „Er ist liebevoll“

Wenn seine kleine Tochter weinte, trug er sie stundenlang durch die Wohnung. Er kochte Kümmeltee für das Baby oder rieb Shirin den Bauch. „Er war so, wie man sich einen guten Vater vorstellt“, sagt Shirins Mutter. Kein schlechtes Wort verliert sie über den Vater ihres jüngsten Kindes. Obwohl er dafür verantwortlich sein soll, dass ihre Tochter jetzt auf einem Auge blind ist, dass Shirin möglicherweise Zeit ihres Lebens behindert bleiben wird. Seit gestern steht der 26-jährige Matthias P. vor dem Landgericht.

An einem Abend im März schrie Shirin wieder einmal. Ihre Mutter hatte gerade die Charlottenburger Wohnung verlassen. Nach einem Streit mit Matthias P., einer, wie sie später sagen wird, grundlosen Eifersuchtsszene. Der Vater nahm seine damals knapp zwei Monate alte Tochter aus der Baby-Wippe. „Ich konnte die Kleine einfach nicht beruhigen“, sagt der Angeklagte. „Da kam es zum Schütteln.“ Er packte das Baby fest an den Hüften und schüttelte es auf und ab. „Da war Shirin erst einmal ruhig“, sagt der Angeklagte mit gesenktem Kopf. Zweimal habe er sie geschüttelt. Zwei Stunden später habe sich Shirin übergeben. „Sie war blass und kalt, ich zog sie warm an.“

Am nächsten Morgen ging er mit seiner Tochter zum Arzt. Weil sie nicht trinken wollte und apathisch wirkte. Shirin kam sofort auf die Kinderintensivstation der Charité. Knapp zwei Wochen lang schwebte sie in Lebensgefahr. Das Schütteln hatte Blutungen ausgelöst; eine Gehirnhälfte war dadurch stark geschädigt worden. Das Mädchen verlor auf einem Auge die Sehkraft. Die Ärzte teilten den Eltern mit, dass aufgrund der Hirnverletzungen mit einer bleibenden Behinderung gerechnet werden muss. Da habe Matthias P. tagelang geweint, sagt Shirins Mutter.

Von seinen Tränen aber spricht der Angeklagte nicht. Er, der seit neun Monaten in Untersuchungshaft sitzt, berichtet auch nicht von dem guten Verhältnis, das er zum fünfjährigen Sohn seiner Verlobten aufgebaut hat. Schuldbewusst steht der hagere Mann, der lange als Möbelpacker arbeitete, den Richtern Rede und Antwort. Anders als Angeklagte in ähnlichen Prozessen beteuert er nicht, dass er eigentlich nicht zu Gewalttätigkeiten neige. Es sind Zeugen, die für ihn aussagen. Vor allem Shirins Mutter, seine Verlobte. „Ich kann ihn nur als liebevollen Vater beschreiben“, sagt die 30-Jährige. Sie habe wegen ihrer Eifersucht eine Therapie bekommen. Ihre Tochter, die derzeit in einer Pflegefamilie lebt, werde in wenigen Wochen wieder bei ihr sein.

An jenem Abend habe sie eine Telefonnummer bei P. gefunden, berichtet die Verlobte. Sie sei wieder einmal eifersüchtig gewesen. Grundlos. Sie ging in ihrer Wut zu einer Freundin und kam erst am führen Morgen zurück. „Er weckte mich und sagte, dass mit Shirin etwas nicht stimme.“ Sie weiß, dass es ohne den Streit wohl nicht zu dem tragischen Vorfall gekommen wäre. Und sie will sich nicht von P. trennen. Auch ihre 53-jährige Mutter sagt, Matthias P. sei ein „ganz Lieber“. Viele könnten das bestätigten. „Er hat die Nerven verloren und hat das Kind dadurch schwer geschädigt“, sagt der Staatsanwalt. Doch auch für den Ankläger steht fest, dass Matthias P. kein „Kindermisshandler“ ist. Das Urteil soll am Mittwoch gesprochen werden.

Kerstin Gehrke

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false