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Berlin: Das Kirchlein im Grünen

Schon der Name stimmt romantisch: In Alt-Placht wurde ein Kleinod unter 500-jährigen Linden gerettet

Die gut gemeinte Warnung „Achtung ...“, kam etwas zu spät. Das Wasser spritzte hoch und platschte wie eine Bugwelle auf die Windschutzscheibe. Am Tag zuvor hatte es einen kurzen, aber kräftigen Regenguss gegeben, der alle Furchen und Schlaglöcher randvoll mit Wasser füllte. Wer mit dem Auto von Templin kommt, verlässt in Densow die asphaltierte Straße und biegt in einen unbefestigten Fahrweg ein. „Kirchlein im Grünen“ steht auf dem Wegweiser zu lesen – und wenig später befindet man sich tatsächlich mitten im Wald.

Plötzlich kreuzen Schienen den Weg, munteres Kinderlachen kündigt ein ungewöhnliches Gefährt an. Vater und Sohn treten kräftig in die Pedale, die Mutter sitzt auf einer kleinen Holzbank und genießt es offensichtlich, gefahren zu werden. Die Familie ist unterwegs auf Deutschlands erster Draisinenstrecke zwischen Fürstenberg und Templin.

Weiter geht es durch den Wald, bis nach zwei Kilometern Alt-Placht erreicht ist. Mehrere 500-jährige Linden, jede für sich ein einzigartiges Naturdenkmal, umgeben eine kleine Fachwerkkirche mit blauem Holzturm und strohgedecktem Dach. Dunkle Holzbalken zieren helle Lehmwände, auf denen Sonne und Blätterschatten ein ständig wechselndes Muster hinterlassen. Weit und breit ist keine Seele zu entdecken, bis auf Vogelgezwitscher herrscht Stille.

Jeder Besucher der erstmals hierher kommt, ist erstaunt über die einsame Waldlage und – diese Kirche ist tagsüber immer geöffnet. Der Innenraum ist schlicht, naturbelassen die Bänke und die Holzausstattung, auf der Empore eine kleine Orgel.

Um 1700 wurde die ehemalige Gutskapelle von Alt-Placht erbaut. Die Architektur entspricht nordfranzösischen Fachwerkbauten, ein Stil der durch hugenottische Einwanderer in die Uckermark gelangte. Ein großer Brand vernichtete 1758 das gesamte Dorf, nur die Kirche blieb unversehrt. Das Gut selbst wurde später in Alt- und Neu-Placht geteilt. Nach mehrfachem Besitzerwechsel gab 1899 der letzte Gutsherr den Betrieb auf, der magere uckermärkische Boden brachte zu wenig Ertrag. Nun begann auch der Verfall der Kapelle. In den 70er Jahren war der Zustand so desolat, dass ein Gutachten des kirchlichen Bauamtes empfahl, den „Schandflecken“ zu beseitigen. Zum Glück fehlte dazu das Geld.

Nach der Wende engagierten sich Gleichgesinnte aus Ost und West mit dem Ziel, das Kirchlein zu retten. Sie fanden Sponsoren, gründeten einen Förderverein und begannen mit der Restaurierung. 1994 konnte der erste Gottesdienst im Kirchlein gefeiert werden. Heute finden neben Taufen und Trauungen auch kulturelle Veranstaltungen statt. Pfarrer Horst Kasner, der Vater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, ist der Vorsitzende des Fördervereins. Bei ihm können sich Gruppen zu Führungen anmelden (Tel.: 039 87-540 94).

Sommerfest am Kirchlein in Alt-Placht zu Johanni am Samstag, 24. Juni. Beginn 18 Uhr, Mozart-Konzert und Lesung ab 20 Uhr, danach wird das Johannisfeuer entzündet.

Carl-Peter Steinmann

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