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Berlin: Das Lösegeld ist verschwunden

Haftstrafe in Prozess um spektakuläre Entführung

Der spektakulärste Entführungsfall der letzten Jahre begann in einer Tiefgarage in Neukölln. Als der 20-jährige Vadim Freinkman in der Nacht zum 18. August vorigen Jahres nach einem Kinobesuch aus seinem Auto steigen wollte, riss plötzlich ein Fremder die Beifahrertür auf und hielt ihm eine Waffe an den Kopf. Knapp zwei Wochen war er in der Gewalt der Kidnapper. Noch sind nicht alle mutmaßlichen Entführer gefasst. Einer ihrer „Handlanger“ aber wurde gestern bereits zu einer Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt.

Der Angeklagte Waldemar P. hatte eingeräumt, auf Bitten eines Russen mit mehreren Männern im Auto ins Berliner Umland gefahren zu sein. Er habe gedacht, es gehe um die Entführung einer Person, um Schulden einzutreiben, erklärte der 41-jährige gebürtige Russe. Näheres aber habe er nicht erfahren. In der brandenburgischen Ortschaft Pausin habe man gehalten, dann habe er das Fahrzeug zurück nach Berlin gefahren. Dafür bekam er 200 Euro.

Nach Pausin hatten die Entführer die Mutter des damaligen Abiturienten „bestellt“. Ein Lösegeld von einer Million Euro wollten sie kassieren. Die Mutter ist Medizinerin, arbeitet und lebt sowohl in Berlin als auch in Sankt Petersburg. „Sie hat sich von vielen Freunden Geld geborgt und eine Wohnung in Sankt Petersburg verkauft“, sagte eine Anwältin, die Vadim Freinkman als Nebenkläger im Prozess vertrat. 670 000 Euro. Mehr konnte sie nicht auftreiben. „Sie hatte deshalb große Angst“, erklärte die Anwältin.

Die Entführer hatten mit dem Tod des Jungen gedroht. Ihre Anweisungen kamen per SMS. Vadim Freinkman hatten sie in seinem VW Passat erst kreuz und quer durch die Stadt gefahren. Sein zwölftägiges Gefängnis wurde eine Wohnung in der Neuköllner Sonnenallee. 24 Stunden nach der Geldübergabe kam er frei. Das Lösegeld ist bis heute verschwunden.

Die Ermittler gehen von einer vermutlich siebenköpfigen Bande aus. Im Januar wurde ein 31-jähriger Pole in Moskau verhaftet, der zur mittleren Ebene der Täter zählen soll. In Berlin sitzt seit Oktober letzten Jahres ein 25-Jähriger in Untersuchungshaft, der die Geisel bewacht haben soll. Im Falle des ebenfalls vor vier Monaten festgenommenen Waldemar P. waren die Richter überzeugt, dass er als Fahrer nur „untergeordnete Handlangerdienste“ leistete. Durch sein Geständnis wurde Vadim Freinkman eine Aussage im Prozess erspart. „Er hat nach wie vor Angst, seine Mutter auch“, sagte seine Rechtsanwältin.

Kerstin Gehrke

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