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Berlin: Das Mädchen mit der Seidenschleife

Bröhan-Museum zeigt jetzt die Ausstellung „Schönheit für alle“ – über Jugendstil in Schweden

Marie Cohn ist schon mit 13 Jahren eine Schönheit. Nur mühsam bändigt eine rote Seidenschleife die dunkle Lockenpracht um das ebenmäßige Gesicht, aus dem das Mädchen mit klugen Augen ernst sein Gegenüber ansieht. Ab heute sieht sie so die Besucher im Bröhan-Museum in Charlottenburg an. „Schönheit für alle“ wird in der Schloßstraße 1a bis zum 29. Januar 2006 präsentiert. Unter den 180 Exponaten der Ausstellung über Jugendstil in Schweden ist auch das Gemälde von „Fräulein Marie Cohn“. So heißt das Porträt von Anders Zorn (1860 bis 1920), das er 1900 in Berlin malte.

Anders gehörte wie sein Malerkollege Carl Larsson zu den Protagonisten, die durch ihre Kunst Schweden ins internationale Bewusstsein brachten. Vor allem in Berlin fanden die Künstler aus dem hohen Norden große Resonanz und fühlten sich selbst hier auch wohl. Dass sich Anders Zorn am liebsten im Café „Zum schwarzen Ferkel“ in der Wilhelmstraße aufhielt, ist überliefert.

Erst seit vorigem Jahr aber weiß man, dass Zorns Porträtmodell Marie Cohn Berlinerin war und die älteste Tochter von Dr. Heinrich Cohn, Inhaber einer vornehmen Privatbank Unter den Linden 11. Durch Zufall hatten in den USA und Großbritannien mehrere Personen das „unbekannte Fräulein Cohen“ – so hatte der Maler selbst das Bild benannt – auf einer Reproduktion als ihre Mutter erkannt.

Das 1887 geborene Mädchen aus bestem Haus wurde in Berlin gemeinsam mit einer Nichte Max Liebermanns privat unterrichtet, bevor sie an der Universität studierte. Wie ihre später im Berliner Kunsthandel berühmte Mitschülerin Grete Ring promovierte Marie 1913 und heiratete ein Jahr später den nicht-jüdischen Reichstagsabgeordneten August Weber, von dem sie vier Kinder bekam. In den 30er Jahre verließ die Familie Berlin – Marie Weber starb 1967 in London.

Das Gemälde von Anders Zorn aber schmückte noch bis 1933 die Wohnung ihrer Eltern. Dann flüchtete Maries Mutter Paula vor den Nazis nach Genf und verkaufte vermutlich vorher in Berlin das Porträt. 1938 tauchte es auf einem Stockholmer Kunstmarkt wieder auf und fand in Schweden bei einem Privatsammler ein neues Zuhause. Von dort kehrt „Fräulein Marie Cohn“ nun erstmals für kurze Zeit in ihre Heimatstadt zurück – als eine der „Schönheiten für alle“.

In der Ausstellung hat die Berlinerin starke nordische Konkurrenz – unter anderen auf einem traumhaft schönen Gobelin von Carl Larsson, auf dem der berühmte Künstler ein Sommerritual seiner Landsleute verewigte – den „Krebsfang“. Auch einem malenden Prinzen begegnet man – „Erleuchtete Fenster“ hat 1895 Eugen, der jüngste Sohn von Schwedenkönig Oskar II., eines seiner Bilder genannt. Das hätte man ebenso gern daheim, wie auch so manche andere der ausgestellten gemalten und kunsthandwerklichen Schönheiten. Zum Beispiel „Schnee“ – so nannte 1900 Gustaf Fjæstad sein Gemälde. Nicht das Einzige, das den Maler als „Schneekönig aus dem Norden“ bekannt machte. August Strindberg dagegen kennen sicher viele nur als Schriftsteller – in der Ausstellung lernt man jetzt den Maler kennen.

Heidemarie Mazuhn

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