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Berlin: Das Museum Karlshorst widmet dem sowjetischen Stadtkommandanten von 1945, Nikolaj Bersarin, eine Ausstellung

Er war der gefürchtete Eroberer und der gefeierte Befreier Berlins. Er konnte nicht verhindern, dass seine Soldaten in den ersten Wochen plünderten und vergewaltigten.

Er war der gefürchtete Eroberer und der gefeierte Befreier Berlins. Er konnte nicht verhindern, dass seine Soldaten in den ersten Wochen plünderten und vergewaltigten. Er setzte die Strom- und Wasserverorgung und das Berliner Kulturleben wieder in Gang und gab den Berlinern das erste Brot des Friedens. Nikolaj Bersarin, der erste sowjetische Stadtkommandant, gehört zweifellos zu den widersprüchlichsten Figuren der Geschichte der Stadt.

"Wir können Bersarin als Produkt seiner Gesellschaftsordnung zeigen, der trotzdem souverän und human blieb", sagt der Leiter des deutsch-russischen Museums, Peter Jahn. In einer Bersarin-Ausstellung, die am kommenden Dienstag in Karlshorst eröffnet wird, soll fast 55 Jahre nach dem sowjetischen Einmarsch und fünf Jahre nach dem Abzug der Truppen aus Berlin der wahre Nikolaj Bersarin sichtbar werden.

Das Leben Bersarins begann am 1. April 1904 in St. Petersburg und endete am 16. Juni 1945 in Berlin. Die Geburt in der Hauptstadt des vorrevolutionären Rußland und der Tod durch einen mysteriösen Motorradunfall nach nur sieben Wochen Einsatz in Berlin umrahmen ein kurzes, aber dramatisch verlaufendes Leben. Der Sohn einer Näherin und eines Industriearbeiters verlor seine Eltern in der Revolutionszeit 1917 / 18. Der 14-Jährige meldete sich als Freiwilliger zur Roten Armee. Nachdem er 1920 an der Vertreibung der englischen Streitkräfte aus Archangelsk teilgenommen hatte, machte Bersarin eine Militärkarriere, die ihn schließlich als Kommandeur der 5. Stoßarmee in den Kampf um Berlin führte.

Die Karlshorster Ausstellung präsentiert ab dem 7. September wichtige neue Archivfunde zum Leben Bersarins, darunter Privatfotos aus dem Besitz seiner heute noch in Rußland lebenden Töchter und Materialien aus dem Militärarchiv der Sowjetischen Armee. Aus Rußland seien auch bislang unbekannte Dokumente über die Versuche Bersarins gekommen, die Übergriffe von Soldaten der "entfesselten Armee" auf die Zivilbevölkerung zu stoppen, sagt Lutz Prieß, einer der Ausstellungsmacher.

Im Namensstreit um die Bersarinstraße im Bezirk Friedrichshain brandete 1991 noch einmal die Kontroverse um den Stadtkommandanten auf: 1947 war die Petersburger Straße nach einem Beschluss des gesamtberliner Magistrats in Bersarinstraße umbenannt worden, auch ein Platz im Verlauf der Straße erhielt seinen Namen. Zwei Jahre nach der Wende, im Dezember 1991, entschied wieder der Senat von Berlin über die Rückbenennung in Petersburger Straße. Schon 1992 war der Name Bersarins bei der Vereinigung der Listen Ost und West der Berliner Ehrenbürger nicht übernommen worden.

Einige Berliner Politiker und Historiker wollten 1995 das Andenken des ersten Stadtkommandanten ganz aus dem Stadtbild tilgen. Der Bersarinplatz im Zuge der Petersburger Straße sollte wieder Baltenplatz heißen. Bersarin, hieß es, sei 1940 für die Deportation von 47 000 Letten durch die sowjetischen Besatzer mitverantwortlich gewesen. Das war nicht zu beweisen; der Bersarinplatz blieb erhalten. In der Karlshorster Ausstellung soll jetzt ein Dokument gezeigt werden, aus dem hervorgeht, dass Bersarin 1940 nicht im Baltikum, sondern im Fernen Osten war.

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