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Die „Fabelei“-Betreiberin fühlt sich schlechter gestellt im Vergleich zu anderen Betreibern, die sich nicht an die Regeln halten.

© privat

Das sagt eine Barbetreiberin zu den Corona-Regeln: „Die Ehrlichen werden bestraft und gehen deswegen zugrunde“

Tische zu nah, Räume zu voll: In manchen Gaststätten kommt es regelmäßig zu Verstößen. Die „Fabelei“-Betreiberin fühlt sich von ihrer Branche betrogen.

Von Corinna Cerruti

Anastasia Schöck-Bochenski betreibt zusammen mit Ihrem Mann die Cocktailbar „Fabelei“ in der Kyffhäuserstraße 21 in Schöneberg. Am Montag hatte die 31-Jährige in einem Facebook-Post die Missachtung von Corona-Regeln in anderen Gaststätten angeprangert. Sie fordert strengere Kontrollen und höhere Strafen für ihre Branche.

Frau Schöck-Bochenski, Sie schreiben in Ihrem Facebook-Post, dass Sie sich als Barbetreiberin unfair behandelt fühlen, weil andere Gastronomen die Regeln nicht einhalten. Was läuft da schief?
Ich hab das Gefühl, dass keiner alle Regeln befolgt. Da ich aktuell in Elternzeit bin, mache ich viele Spaziergänge mit meiner Tochter und besuche Cafés und Gaststätten. Mir fällt überall auf, dass die Abstände nicht eingehalten werden, weder vom Personal noch von den Gästen. Die Plätze sind häufig nicht reduziert. Ich werde meistens nicht nach meinen Kontaktdaten gefragt oder ich muss mich in lange Listen am Tresen eintragen, wo ich Name und Daten anderer Gäste offen einsehen kann.

In vielen Läden gibt es kaum Beschränkungen, so dass man teilweise Rücken an Rücken sitzt. Auch draußen stehen Tische nicht weit genug auseinander, sodass ich auf dem Bürgersteig manchmal mit dem Kinderwagen nur schlecht durchkomme. Als Mitbewerberin fühle ich mich betrogen. Wir haben Plätze reduziert und damit Umsatzeinbuße, während andere sich kaum einschränken und die Gäste auch weniger Wert auf die Regeln legen. Wir sind am Ende die Verlierer, weil wir uns an die Maßnahmen halten. Bei mir persönlich führt das dazu, dass ich meinen Kaffee eher mitnehme und mich nicht reinsetze. Ich fühle mich nicht wohl, wenn ich sehe, wie die Regeln missachtet werden. Auch wenn wir zu keiner Risikogruppe gehören, muss man nichts riskieren.

Wie sieht es bei Ihnen in der Bar aus?
Wir haben im Innenraum von 45 auf zwanzig Plätze reduziert, um die Abstände einzuhalten. Im Sommer konnten wir diese Plätze mit den Tischen auf dem Bürgersteig ausgleichen. Wir haben eine Eckbar und damit auf beiden Seiten viel Platz. Das hat uns gerettet, zeitweise haben wir damit Umsätze von Januar oder Februar erreicht.

Jetzt verschlechtert sich das Wetter, es wird früher dunkel und kühler. Die Leute flüchten eher nach drinnen und verlassen die Bar früher. Doch mit knapp zwanzig Plätzen verdienen wir nicht viel, vielleicht 60 Prozent der Umsätze aus der Vor-Corona-Zeit. Am vergangenen Wochenende hat eine Gruppe ihre Reservierungen storniert wegen des Regens. Drinnen konnten wir ihnen keinen Platz anbieten. Für uns ist das mies. Wenn der Laden an einem normalen Freitag- oder Samstagabend voll ist, würden wir normalerweise Leute auf die Warteliste setzen und in der Ecke warten lassen bis was frei ist. Das geht jetzt nicht mehr.

Haben Sie eine Idee, wie Sie auch in der kalten Jahreszeit mehr Gäste empfangen könnten?
Wir überlegen noch (seufzt). Wir hatten auch schon an Heizpilze gedacht, aber wegen der Umweltbelastung haben wir uns dagegen entschieden. Infrarotlampen können wir laut Elektriker nicht aufhängen, weil unsere Stromleitungen das nicht mitmachen. Dann haben wir noch an ein Außenzelt oder einen Pavillon gedacht. Am Ende ist das aber auch ein geschlossener Raum, der gelüftet gehört.

Wie reagieren die Gäste auf Ihre strikten Regeln?
Stammgäste begrüßen sie eindeutig. Unter meinen Facebook-Post schrieben einige, dass sie gerne zu uns kommen, da sie sich hier sicher fühlen. Mein Eindruck ist, dass die Leute froh sind, wie wir die Situation händeln. Andere Gäste wollen die Beschränkungen nicht wahrhaben. Zum Beispiel gab es Sprüche zu unserer Inneneinrichtung: „Warum ist das denn hier so leer?“ oder zur Liste: „Muss ich mich jetzt wirklich eintragen? Dann setzt ihr uns womöglich noch auf irgendeinen Newsletter.“

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Das verstehe ich einfach nicht. Die Regeln sind schon Monate alt. In Zeiten von Corona wünsche ich mir mehr Solidarität. Ich will die Gäste ja nicht vergraulen! Im Gegenteil: Mit unseren Maßnahmen wollen wir ja Vertrauen bei unseren Gästen schaffen. Ich finde, dass es am Gastgeber liegt, die Hausregeln klarzustellen und nicht nur an die Scheibe zu schreiben. Manche Betreiber haben vermutlich Angst, den Gast durch einen Hinweis zu verlieren. Wir stellen unsere Regeln klar unseren Gästen dar und bestehen auch auf deren Einhaltung.

Hat das Ordnungsamt bei Ihnen schon mal kontrolliert?
Nein. Ich dachte, in Schöneberg wird generell weniger kontrolliert, dafür mehr in anderen Bezirken. Dann habe ich die Zahlen zu den Bußgeldern gesehen. 4010 Euro Strafzahlung im gesamten Stadtteil Neukölln über drei Monate sind lächerlich gegenüber den finanziellen Einbußen, mit denen wir jeden Monat zu kämpfen haben.

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Hätten wir die Beschränkungen in den vergangenen Monaten nicht eingehalten und normalen Umsatz gemacht, wären ein paar tausend Euro Strafe lapidar. Ich meine, wie oft kommt so eine Kontrolle vor? Die Höhe des Bußgelds ist zu gering, vor allem in Bezirken wie Mitte.

Wie ließe sich die Situation verbessern?
Es sollten sich alle dran halten, einheitlich. Ich fühle mich von anderen Gastronomen betrogen, auch wenn ich mir jetzt Feinde mache. Aber es klappt auch nicht zu sagen: Bitte, bitte mach mit. Stattdessen müsste es härtere Strafen geben. Dann würden vielleicht auch die Fallzahlen sinken. Ansonsten ist das nur ein Fingerzeig ohne Konsequenzen.

In Ihrem Facebook-Post haben Sie einige konkrete Vorschläge formuliert...
Neben mehr Kontrollen durch Polizei- und Ordnungsamt sollte es hohe Bußgelder geben. Dies könnte auch an die Rückzahlung der Corona-Zuschüsse gekoppelt sein. Die hat ja so gut wie jeder Betreiber erhalten. Wer sich nicht an die Regeln hält, muss zahlen.

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Zudem könnte ich mir eine „Buhliste“ vorstellen. Wer erwischt wird, kommt auf eine öffentlich einsehbare Liste inklusive Vergehen. Angehörige von Risikogruppen können sich dann überlegen, ob sie die Gaststätte besuchen oder nicht. Zuletzt wurde ja über ein mögliches Alkoholverbot wie in Bayern diskutiert. Meiner Meinung nach ist das nicht nötig. Es geht vielmehr darum, an den gesunden Menschenverstand zu appellieren. Aktuell werden nur die Ehrlichen bestraft und deswegen zugrunde gehen. Wenn wir uns noch monatelang so einschränken und entsprechend wenig Umsatz machen, dann wird’s uns eben irgendwann nicht mehr geben – während die Unehrlichen ohne Schaden rauskommen.

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