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Berlin: Das SS-Truppenlager an der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen soll als Warnung erhalten bleiben

In einigen Jahren hätte sich das Thema SS-Truppenlager am Rande von Oranienburg wahrscheinlich von selbst erledigt. Sturm, Regen und Frost würden den einstigen Mannschaftsunterkünften dank offener Türen und Fenster wohl weiterhin so arg zusetzen, dass sie irgendwann einstürzen.

In einigen Jahren hätte sich das Thema SS-Truppenlager am Rande von Oranienburg wahrscheinlich von selbst erledigt. Sturm, Regen und Frost würden den einstigen Mannschaftsunterkünften dank offener Türen und Fenster wohl weiterhin so arg zusetzen, dass sie irgendwann einstürzen. Das monumentale SS-Bad mit seinen merkwürdigen Schornsteinen und der einer Ehrentribüne gleichenden Terrasse wäre ebenfalls nicht mehr zu retten. Das gleiche Schicksal würden das SS-Casino, von den Häftlingen des benachbarten KZ Sachsenhausen wegen der dort erlittenen Qualen "Grünes Ungeheuer" genannt, sowie der unterirdische Bunker, den Exerzierplatz oder die Villa des Kommandanten Eicke treffen. Die Natur hätte auf dem großen Gelände an der Bundesstraße 273 ein leichtes Spiel. Die Zeugnisse des NS-Terrors verschwänden unter unschuldigem Grün. Im 30 000 Einwohner zählendem Oranienburg, das sich zwischen 1933 und 1945 als "Stadt der SS" rühmte, würde sich die Erinnerung an das dunkelste Kapitel der Chronik auf die Gedenkstätte des KZ Sachsenhausen beschränken.

"Gerade das wollen wir nicht", sagt Bürgermeister Hans-Joachim Laesicke (SPD) selbstbewusst. "Das SS-Truppenlager wird als Ort der Täter auch künftigen Generationen als Warnung erhalten." Dabei sei nicht allein an bloßen Denkmalschutz gedacht. Die Menschen sollten zum Truppenlager kommen und hier zum Nachdenken angeregt werden. Als Erfolgsgaranten hat die Stadt erneut den amerikanischen Architekten Daniel Libeskind gewählt. Der ließ sich nicht lange bitten. "Das Truppenlager ist Teil des KZ gewesen, das eigentlich das KZ Berlins war", sagt Libeskind. "Die Bedeutung des ganzen Komplexes in Sachsenhausen wird durch die Nähe zum Regierungssitz noch weiter wachsen." Sein neuer Vorschlag zum Umgang mit dem SS-Truppenlager stieß in dieser Woche auf Zustimmung der Stadtverordneten, so dass die Pläne in Kürze öffentlich ausgehängt werden.

Auf Skeptiker, die vor hohen Kosten des Libeskind-Vorschlages warnen und stattdessen lieber einen Verfall des Geländes befürworten, reagiert der Bürgermeister mit einem überzeugenden Argument: "Wir haben es geschafft, das heruntergekommene Schloss zu restaurieren. Warum sollte uns das nicht mit dem Konzept für das Truppenlager gelingen?" Die grausame Seite der Stadtgeschichte dürfe nicht verkommen.

Tatsächlich erstrahlt das bis 1990 von Soldaten unterschiedlicher Armeen genutzte Schloss seit drei Monaten wieder im alten Glanz. Die dort eröffnete Ausstellung von Kunstwerken an niederländischen Fürstenhäusern zog bisher 60 000 Besucher an.

Vielleicht hat sich auch Daniel Libeskind von diesem Optimismus anstecken lassen. Denn sein jetziger Vorschlag ist nach 1993 schon der zweite für das Truppenlager. Damals hatte der Wiener Hermann Czech den ersten Preis eines Architektenwettbewerbes gewonnen, in dem er den Bau von einigen hundert Wohnungen auf dem Gelände vorschlug. Für Libeskind blieb ein Sonderpreis. Damals war seine Idee auf das Thema Überflutung verkürzt worden. Die SS-Bauten sollten abgerissen werden. Für die Besucher blieben Stege, über die sie weite Teile des Geländes hätten erkunden können. Dem Wasser räumte Libeskind damals große Bedeutung bei, wurden doch die KZ-Häftlinge kurz vor Kriegsende von der SS auf einen Todesmarsch in Richtung Ostsee getrieben.

Heute will der Architekt nach vielen Diskussionen mit Demkmalschützern nur noch die ehemaligen Mannschaftsunterkünfte von Wasser umspülen lassen. "Die Besucher sollen sich spätestens hier fragen, warum die Gebäude im Wasser stehen", sagt Libeskind. Überhaupt will er möglichst viele Menschen zum früheren Truppenlager bringen. "Wir versuchen die Balance zwischen der Verpflichtung zur Erinnerung und einer neuen Nutzung des Geländes", erklärt der gebürtige Pole. Das gelinge nur durch neues Leben. Dieses will er durch einen 680 Meter langen und 40 Meter breiten "Einschnitt der Hoffnung" (Hope incision) quer über das Truppenlager erreichen. Der Riegel aus mehreren Gebäuden beginnt außerhalb der Mauern und steigt von zwei auf vier Geschosse an. "Wir stellen uns auf den rund 35 000 Quadratmetern Gewerbeflächen eine vielfältige Nutzung vor", sagt Matthias Reese vom Architekturbüro Libeskind.

Natürlich gebe es angesichts der Nähe des KZ Tabus, beispielsweise sei eine chemische Reinigung ausgeschlossen. "Wichtig ist ein weitgehend normales Leben an diesem Ort. Denn auch der Holocaust war schließlich ins normale Leben integriert", ergänzt Libeskind.

Die Oranienburger und anderen Besucher sollen nicht zuletzt durch intensiv bepflanzte Gärten angelockt werden. "Am schlimmsten wäre es, wir würden die SS-Gebäude verfallen lassen", meint Bürgermeister Laesicke. "Denn das Truppenlager macht zusammen mit dem KZ und den Siedlungshäusern der SS-Leute an den Außenmauern erst das System der NS-Architektur in unserer Stadt deutlich." Er erwartet des Baurecht für Ende nächsten Jahres. Die Investorensuche für das "beispiellose Projekt" soll schon in Kürze beginnen.

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