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Berlin: Das war Silvester in Berlin: Musik aus dem Computer und traurige junge Frauen

Auf den Bahnsteig der U 8 am Alexanderplatz tropft es aus der Decke. Drei Sicherheitsmänner stehen um die Pfütze herum und überlegen, wie sie das Problem lösen könnten.

Auf den Bahnsteig der U 8 am Alexanderplatz tropft es aus der Decke. Drei Sicherheitsmänner stehen um die Pfütze herum und überlegen, wie sie das Problem lösen könnten. Auf der Wartebank sitzt ein Betrunkener und weint, während jemand Böller zündet. Es ist 22 Uhr 15.

Dem Sänger wachsen Haare auf dem Oberarm. Dicke Haare, die man im Gegenlicht hervorragend sieht. Es wäre besser, wenn er und der andere Mann von "Rocket Freudental" nicht dort stehen und musizieren würden. Nicht unbedingt heute. Wir kaufen uns eine doppelte Portion salzige Nüsschen und sind kurz geneigt, uns diese in die Ohren zu stecken. Es ist 23 Uhr 15, jeder hat 20 Mark Eintritt bezahlt und neben uns sagt jemand in die Stille zwischen zwei Songs hinein: "Schlafsäcke von Frauen sollten immer Löcher haben." Wir halten durch bis kurz vor 2001. Dann stellen wir uns in einen Hauseingang auf die Torstraße. Unser Bier müssen wir drinnen lassen. Um zwölf gibt es nichts zu trinken.

Nebenan beschießt jemand die Ampel mit Böllern und stellt zwei Feuerwerkskörper von der Größe einer Autobatterie vor uns auf, die giftgrüne Blitze wegschicken. Aus dem Einsatzwagen des Bundesgrenzschutzes dröhnt Partymusik. Wir wedeln mit den Armen. Die Grenzschützer fahren leider weiter. Es ist 0 Uhr 20. In der Torstraße 171 soll noch irgendwas sein. Wir schlittern los.

Am Rosenthaler Platz ist die Luft dick vom Schwarzpulvergestank. Vor Burger King essen zwei Männer Luftschlangen auf. Es sind viele freie Taxen, leere Straßenbahnen und Nachtbusse unterwegs. Der Obstsalat in der Torstraße 171 schmeckt ausgezeichnet. An der Garderobe hängen fast nur schwarze Steppjacken. Es läuft House und ist voll bis unter die Decke. Wir quetschen uns auf weiße Plastikgartenstühle. Jemand knipst das Licht an und aus, für bessere Partystimmung. Es ist 2 Uhr 30. Mit dem Taxi nach Friedrichshain, vorbei am Kino International, wo Leute unter gleißend rotem Licht tanzen.

Irgendwo im ausgebauten Dachgeschoss. "Wollt ihr nicht ablegen?", fragt ein kleiner Mann mit Brille und begleitet uns in einen Kiefernholz-Inferno-Raum. "Aber psst, gleich dort schläft ein Baby." Ohne Rascheln ziehen wir unsere Jacken aus. Die Brille wird verlegen und zieht dabei eine Anti-Gefrierbrand-Tüte mit Geldscheinen aus der Tasche. Er sagt: "Gut, es ist jetzt drei Uhr, sagen wir, na ja, von jedem zehn Mark?" Wir geben gerne, weil die Tanzfläche super organisiert ist, mit professioneller Lightshow, Nebelgebläse und Girlanden. Der DJ bedient Computer statt Plattenteller.

Überall sitzen traurige, junge Frauen herum. Zu Depeche Mode tanzen sie. Mobiltelefone sind hier der letzte Schrei, aber leider kriegt man nur in den seltensten Fällen eine Verbindung hin.

5 Uhr, morgen gehen wir zum Brunchen.

oom

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