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Berlin: Das wird ein Heimspiel

Vor den Begegnungen Brasilien – Kroatien, Schweden – Paraguay: Wie die hier lebenden Fangemeinden ihre Mannschaften willkommen heißen

So viele Spiele, so viele Nationen: Während der Fußball-WM zeigt sich auch das internationale Gesicht der Stadt: keinTeilnehmerland, dem nicht auch in Berlin heimische Landsleute zujubeln. Wir haben uns bei den Vertretern jener Nationen umgehört, die Dienstag und Donnerstag im Olympiastadion kicken: Brasilien gegen Kroatien, Schweden gegen Paraguay.

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Ausnahmezustand in der brasilianischen Botschaft: Für das Großereignis ist eigens eine WM-Beauftragte nach Berlin gekommen. „Wir schätzen, dass 30 000 Brasilianer am Spieltag in der Stadt sein werden,“ sagt Patricia Wagner. Der so gar nicht lateinamerikanisch klingende Name stammt von deutschen Vorfahren, sie selbst hat auch bereits sechs Jahre in Berlin gelebt. Zum Auftaktspiel des Teams aus Brasilien gegen Kroatien, heute um 21 Uhr, wird Patricia Wagner auf der Fanmeile in der Straße des 17. Junis sein: Sie betreut dort die Fans im „mobilen Konsulat“, das nach der Partie in den nächsten Austragungsort eines Brasilien-Spiels weiterzieht. Dort gibt es Hilfe, wenn der Pass verloren ist oder ein portugiesisch sprechender Arzt helfen soll.

Etwa 2100 Brasilianer haben der Statistik zufolge ihren Hauptwohnsitz in Berlin. Das Sechsfache dieser Zahl werden allein Reisefirmen bis zum Abend des Auftaktspiels in die Stadt befördern. Viele haben das Neuköllner Estrel-Hotel gebucht, einige auch das Esplanade. Die meisten Reisenden kommen bei Freunden und Verwandten unter oder in einer Pension. Wer keine Karten kauft, schaut in der Waldbühne oder in einer brasilianischen Kneipe: Im „Ipanema“, Torstraße 164, wo es eine Großleinwand gibt, im Café do Brasil am Mehringdamm 73 oder, gediegener, im Copacabana, Pfalzburger Straße 11 in Charlottenburg.

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Von der Statistik her sind die Kroaten den Brasilianern überlegen – rund 11 600 Landsleute leben hier. Auf dem Rasen werden sie es schwerer haben, deswegen werden Berlins Kroaten vor der Großbildleinwand in der Kreuzberger Columbiahalle alles geben. Dort trifft sich der harte Kern der Fans, heißt es bei der Vertretung der Republik Kroatien in Tempelhof-Schöneberg. Jozo Vracic wird nicht dabei sein. Der Mitarbeiter des Restaurants Dalmacija am Tempelhofer Damm 259 hat Dienst. „Ich kenne zehn Leute, die extra für die WM nach Deutschland kommen“, sagt der 46-Jährige, „einige wohnen im Hotel, einige schlafen bei mir zu Hause auf der Matratze im Wohnzimmer.“ Für heute hofft Vracic ausnahmsweise mal darauf, dass der Laden gegen 21 Uhr leer ist. „Dann könnte ich das Spiel wenigstens vorm Fernseher verfolgen.“

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„Die Schweden kümmern sich zu allererst um die Eintrittskarte, danach suchen sie den Ausschank, an letzter Stelle schauen sie sich nach einer Herberge um“, sagt Aris Fioretos, schwedischer Kulturattaché und Schriftsteller in Berlin. Zwischen 3000 und 6000 Schweden leben hier, zehn mal so viele werden zu den Schweden-Spielen in Berlin erwartet. Eine Großbildleinwand gibt es in der schwedischen Viktoriagemeinde, Landhausstraße 26 – weil sie als gemeinnützige Institution keinen Ärger mit der Fifa wegen der Genehmigung bekam. Die große Schweden-Party steigt im Wasserwerk, Hohenzollerndamm 206. Dort baut der schwedische Fußballverband und ein Reiseveranstalter das „Sverige-Center“ auf – man rechnet mit 50 000 Besuchern.

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Das kleine südamerikanische Land Paraguay gehört zu jenen Nationen, die sich am meisten haben einfallen lassen. Gerade 50 Paraguayer leben in Berlin – viele arbeiten hier seit Jahrzehnten, andere kamen als Studenten – doch dank der Hilfe der Botschaft stellten sie ein umfassendes Kulturprogramm auf die Beine. So zeigt die Gruppe „Paraguay Guá“ am Tag des Spiels gegen Schweden am Donnerstag um 21 Uhr schon um kurz nach eins am Brandenburger Tor „traditionelle, moderne und avantgardistische Tänze“, sagt der gebürtige Paraguayer Rolando Rasmussen, der seit 40 Jahren in Berlin lebt. Der 64-Jährige ist der Deutschen Oper seitdem verbunden, als Tänzer, als freier Textildesigner, heute arbeitet er dort als Garderobier. Der Künstler hat auch den paraguayischen Buddybären gestaltet, der ab Donnerstag auf dem Bebelplatz in Mitte zu sehen ist. Er trägt einen Kunstrasenpelz mit von Indianern geschnitzten Tierchen: Schlangen, Krokodilen, Meerschweinchen. Die Botschaft an der Hardenbergstraße 12 und das Iberoamerikanische Institut der Staatsbibliothek an der Potsdamer Straße zeigen Fotos von kickenden Straßenkindern.

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