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Ein Transparent mit dem Bild von Edward Snowden ist am 30.05.2015 in Berlin bei der Demonstration gegen Massenüberwachung durch Geheimdienste vor dem Bundeskanzleramt gespannt. Aufgerufen hat die Initiative «Rechtsanwälte gegen Totalüberwachung». Anlass ist der zweite Jahrestag der Enthüllungen von Edward Snowden. Foto: Paul Zinken/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++

© dpa

Datenschutzbeauftragter Alexander Dix im Interview: „Es gibt keine belanglosen Daten“

Alexander Dix war viele Jahre Datenschutzbeauftragter – erst in Brandenburg, dann in Berlin. Ein Gespräch über Überwachung im Internet, sensible Daten in Bibliotheken – und Tai Chi im Ruhestand.

Von Fatina Keilani

Der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix geht am heutigen Dienstag nach zehn Jahren in den Ruhestand. In seinem Büro steht ein Kunstwerk, das er vom Vorgänger übernommen hat. Es ist aus Autoteilen zusammengesetzt und heißt „Der Überwachungsstaat“. Auf Knopfdruck sollte es sich in Bewegung setzen. Es ist kaputt.

Herr Dix, „Der Überwachungsstaat“ funktioniert nicht. Das ist doch gut, oder?

Das betrifft leider nur das Kunstwerk. Im wirklichen Leben funkioniert er zu gut.

Sie waren jetzt zehn Jahre in Berlin Datenschutzbeauftragter, davor in Brandenburg. Was war in dieser Zeit das Gravierendste?
Ein wichtiges Ereignis waren die Veröffentlichungen durch Edward Snowden. Die haben die schlimmsten Befürchtungen übertroffen. Man wusste zwar seit 2001, dass die Nachrichtendienste die Satellitenkommunikation überwachen, aber was Snowden bekannt gemacht hat, geht weit darüber hinaus. Nun ist das Thema stärker auf der Tagesordnung. Allerdings wurden bisher nicht die nötigen Konsequenzen gezogen.

Alexander Dix, 64, war von 1998 bis 2005 Datenschutzbeauftragter in Brandenburg und arbeitete von 2005 bis heute in gleicher Funktion in Berlin. Ein Nachfolger steht noch nicht fest.
Alexander Dix, 64, war von 1998 bis 2005 Datenschutzbeauftragter in Brandenburg und arbeitete von 2005 bis heute in gleicher Funktion in Berlin. Ein Nachfolger steht noch nicht fest.

© Thilo Rückeis

Welche wären das?

Die Art, wie Nachrichtendienste Daten sammeln, muss beschränkt und dies dann effektiv kontrolliert werden. Die Geheimhaltung ist zu groß, es entstehen Kontrolllücken. Eine exzessive Überwachung wird dadurch begünstigt.

Woran haben Sie sich die Zähne ausgebissen?
Die technische Entwicklung ist rasant, und sie wird nicht langsamer. Big Data, das Internet der Dinge, Smart Citys, die wachsende Sensorik – das sind Sachen, die meinen Nachfolger sicher sehr beschäftigen werden. Die entscheidende Frage ist: Wie können wir unser Recht, allein gelassen zu werden, durchsetzen und ein Maß an Selbstbestimmung und Wahlfreiheit aufrechterhalten? Anderenfalls werden wir fremdbestimmt.

Viele Menschen geben alles freiwillig preis.
Sie haben oft unzureichende Informationen und ahnen nicht, was das für Konsequenzen hat. Da muss sich etwas ändern.

Der Datenschutzbeauftragte wird oft als Bremser wahrgenommen – etwa bei der Frage, ob Bezirke im Internet selbst nach Ferienwohnungsbetreibern suchen dürfen, oder wenn Büchereien keine Ehrenamtlichen beschäftigen dürfen.
Die Bibliotheken sind ein gutes Beispiel. Das ist eine berlinweite Datenbank, darauf dürfen nur bibliothekseigene Mitarbeiter zugreifen. Die Finanzämter können ja auch keine Ehrenamtlichen beschäftigen, um die Steuern einzutreiben.

Gibt es nicht verschiedene Sensibilitätsgrade? Das Steuergeheimnis ist doch sicher strenger zu hüten als die Frage, welches Buch ich zuletzt ausgeliehen habe.
Es gibt keine belanglosen Daten, da alle Daten in Zusammenhänge gestellt werden können. Es stimmt natürlich, dass es Abstufungen gibt, dass etwa Krankendaten noch mal anders behandelt werden müssen, oder Sozialdaten. Aber die Daten der Büchereinutzung sind personenbezogen und so sensibel, dass man sie nicht Verwaltungsexternen zugänglich machen kann.

Würde es nicht reichen, wenn der Nutzer eine Einverständniserklärung abgibt?

Nein, denn jeder kann ja in jedem Bezirk Bücher ausleihen und den Umfang der Datenverarbeitung nicht überblicken. Nur der Gesetzgeber könnte das Problem lösen, wenn er gleichzeitig einheitliche Qualifikationsanforderungen an ehrenamtliche Mitarbeiter stellen würde.

Was sind für den Normalbürger die größten Gefahren im Alltag?
Bei der Nutzung des Internets werden Datenverarbeitungsprozesse angestoßen, die für den Nutzer nicht erkennbar sind. Das birgt viele Gefahren. Manche Menschen haben ein nahezu intimes Verhältnis zu ihrem Computer, auch ein naives: Sie geben Kontodaten ein, wenn in einer betrügerischen Mail danach gefragt wird. Und Hacker räumen dann das Konto leer. Was noch bedrohlicher ist: Wer immer sich über Aids im Netz informiert – aus welchen Gründen auch immer – muss damit rechnen, dass das registriert wird und falsche Schlüsse daraus gezogen werden.

Wenn man sich auf Ihrer Internetseite informieren will, schreckt man zurück – es ist wie eine Bleiwüste, nur elektronisch. Wird die mal überarbeitet?
Ja, sie wird gerade überarbeitet, das dauert aber ein wenig. Wir vertreten zwei Grundrechte, und die anschaulich zu machen, ist eine Herausforderung. Das eine Grundrecht ist das auf informationelle Selbstbestimmung, das andere ist das auf Informationsfreiheit. Während ich beim Datenschutz manchmal wie ein Bremser wirke, geht es bei der Informationsfreiheit eher darum, den Bürger zum Handeln zu aktivieren, und auch die Verwaltung, ihre Akten transparent zu machen und viele Inhalte zu veröffentlichen.

Wie lange sind Sie noch im Amt?
Offiziell bis zum 2. Juni, aber ich bleibe, bis mein Nachfolger vom Abgeordnetenhaus gewählt ist.

Wer wird es?
Das ist nicht bekannt.

Und was machen Sie danach?
Ich will Tai Chi machen und trommeln.

Das können Sie?
Noch nicht, aber ich will es lernen. Das sind so Flausen, die ich im Kopf habe. Mein Nachbar trommelt, das hat mir gefallen. Und Tai Chi habe ich mal in Paris gesehen, das hat mich beeindruckt. Da haben Menschen das morgens im Jardin du Luxembourg gemacht. Jetzt will ich das ausprobieren.

Alexander Dix, 64, war von 1998 bis 2005 Datenschutzbeauftragter in Brandenburg und arbeitete von 2005 bis heute in gleicher Funktion in Berlin. Ein Nachfolger steht noch nicht fest.

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