zum Hauptinhalt
Familie Spielmann ist unzufrieden. Flugzeuge donnern über die Häuser, im Innern brummt der Lüfter, es bildet sich Schimmel.

© DAVIDS

Dauerbaustelle BER: Nicht nur die Flugzeuge machen Krach

Am Himmel lärmen die Jets, im Schlafzimmer brummt der Lüfter. Und das sind nicht die einzigen Sorgen rund um den neuen Großflughafen.

Im Fiasko um Eröffnungs-Termin, Mehrkosten in Milliardenhöhe und den bislang fehlenden Schallschutz für Anwohner des neuen Flughafens in Schönefeld wächst die Spannung vor der nächsten Sitzung des Aufsichtsrates. Am 16.August will das von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) geführte Kontrollgremium Auswege aus der Krise suchen. Die Dauerbaustellen im Überblick.

WAS DIE ANWOHNER SAGEN

Rainer Spielmann ist einer der wenigen vom Fluglärm Betroffenen, der sein Haus bereits vor dem Krach schützen ließ. Zufrieden mit den im vergangenen November vorgenommenen Einbauten ist der 70-jährige Bohnsdorfer überhaupt nicht. „Gebracht haben die neuen Lärmschutzfenster nicht viel“, klagte er am Freitag vor Mitgliedern der Grünen, die sich in seinem Haus informiert hatten. Der Abgeordnete Harald Moritz forderte, die Schutzinteressen der Anwohner endlich anzuerkennen.

Die neuen Fenster hielten den Krach nur unwesentlich besser ab als diejenigen, die er auf eigene Kosten in den 90er Jahren einbauen ließ. Zudem vermisse er ein Lüftungskonzept für das gesamte Haus. „Spendiert“ hat man ihm zwei Lüfter im Schlaf- und im Gästezimmer. Das Gerät hängt neben dem Bett und brummt gewaltig, wenn es auf vollen Touren läuft. Ferner bilde sich durch das Ansaugen kalter Außenluft Schimmel an der Wand, sagte Spielmann. Sieben schallschluckende Fenster und Türen im Wohn- und Schlafbereich sind ihm für sein Einfamilienhaus, das Ende der 70er Jahre gebaut worden ist, genehmigt worden. Knapp 7000 Euro habe der Einbau durch die vom Flughafen vorgegebene Firma gekostet. Ein von einem anderen Betrieb angebotener bessererer Schutz, für den Spielmann nach seinen Angaben den Differenzbetrag selbst aufbringen wollte, habe sich beim Flughafen nicht durchsetzen lassen.

Ungeplante Kosten bei öffentlichen Großprojekten

Dass es in der Nähe eines Flughafens Krach am Himmel gibt, sei ihm vor dem Einzug klar gewesen, sagte Spielmann. Bisher sei der Lärm zu ertragen gewesen. Sollten die Maschinen am neuen Flughafen aber fast im Minutentakt über sein Haus – und seinen Garten – hinwegdonnern, müsse der Schutz besser werden. Bisher schlafen Spielmann und seine Frau noch bei offenem Fenster. Der brummende Lüfter bleibt ausgeschaltet.

DIE POLITIK WILL EINEN KOMPROMISS

Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD), zugleich Vize-Aufsichtsratschef, versucht beim Schallschutz, einen Kompromiss einzufädeln. Nach einem dem Tagesspiegel vorliegenden Schreiben, das er diese Woche an die Aufsichtratsmitglieder schickte, will er einen weniger rigiden Schallschutz für 10 000 Familien durchsetzen als im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (OVG) vom 15.Juni 2012 verfügt. Zugleich erwartet Platzeck aber eine Rücknahme des „Klarstellungsantrages“ der Flughafengesellschaft (FBB), mit dem der Planfeststellungsbeschluss in puncto Lärmschutz drastisch zu Ungunsten der Anwohner verschlechtert werden soll. Mit dem Rücknahme-Antrag war Brandenburg auf der letzten Sitzung im Juni am Veto Berlins und des Bundes noch gescheitert.

Gerüchte über eine drohende Insolvenz der Flughafengesellschaft weist Platzeck zurück.

In dem Schreiben begründet Platzeck seinen Vorstoß mit juristisch geringen Erfolgsaussichten des Antrages und den Akzeptanzproblemen in der Region. „Mein Ziel ist es, dass der so genannte Klarstellungsantrag durch die FBB zurückgezogen wird und das weitere Verfahren auf der Basis dessen geführt wird, was die Planfeststellungsbehörde bereits im Dezember 2011 verfügt hat“, so Platzeck. Man sei „den Menschen rund um den Flughafen einen guten Schallschutz schuldig“, könne „verlorenes Vertrauen zurückgewinnen.“ Das bisherige Schallschutzprogramm, für das lediglich 140 Millionen Euro bereit stehen, war vom OVG als „systematischer“ Verstoß gegen den rechtskräftigen Planfeststellungsbeschluss gerügt worden. Deshalb laufen Strafanzeigen wegen Betruges. Für einen Standard laut OVG-Urteil sind 591 Millionen Euro mehr nötig. Mit der Linie Platzecks und der Brandenburger Behörden würde es rund 300 Millionen Euro mehr kosten, womit nach seinen Worten „exzellenter Schallschutz“ gesichert würde.

Die Brandschutzanlage am BER - das Sorgenkind der Nation:

FINANZIERUNGSSORGEN

Zur Finanzierung der Mehrkosten für den Flughafen BER wird nun ein Paket über 1,17 Milliarden Euro geschnürt, nachdem die bisherigen Mittel von knapp 3,3 Milliarden Euro fast aufgebraucht sind. Bis Jahresende ist noch Geld da. Am Freitag beriet dazu der Finanzausschuss des Aufsichtsrates. Zunächst ist ein kurzfristiger Brückenkredit notwendig, der der FBB über öffentliche Banken und einer Privatbank gewährt werden soll. Platzeck wies am Freitag eine drohende Insolvenz der FBB als „üble Nachrede“ zurück, die die „Verhandlungen mit Brüssel erschweren“ würden. „Der Flughafen ist finanziert und bleibt finanziert“, sagte Platzeck. „Er benötigt eine weitere Milliarde. Und dabei helfen die Gesellschafter.“

Grünen-Politiker Moritz (o. l.) kam zum Hausbesuch.
Grünen-Politiker Moritz (o. l.) kam zum Hausbesuch.

© DAVIDS

Neue Kredite von den Banken gibt's wohl nur, wenn die Gesellschafter, wie bereits bisher, voll dafür bürgen, was von der EU-Kommission genehmigt werden muss. Dass Banken sich trotzdem damit schwer tun, kann nach Ansicht von Moritz Schularick, Bankexperte an der FU, auch am niedrigen Zins liegen, den die Institute in diesen Fällen erhalten. Zudem stehe der Bund nur für 26 Prozent der Bürgschaft ein, und die Länder Berlin und Brandenburg seien weniger kreditwürdig als der Bund. Für Banken sei es oft einfacher, sich Staatsanleihen zu kaufen als mit Zinsen aus dem Flughafengeschäft Geld zu verdienen.

UND WANN IST NUN ERÖFFNUNG?

Auf der nächsten Aufsichtsratssitzung am 16. August wird, wie Platzeck am Freitag noch einmal bekräftigte, keine Entscheidung zum Termin fallen. Das letzte Wort dazu hat der neue Technik-Geschäftsführer Horst Amann, der noch nicht so weit sei. In Gesellschafterkreisen wird bereits mit einer Verschiebung auf Sommer 2013 gerechnet. Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Prognos, Christian Böllhoff, sagte am Freitag in Potsdam: Angesichts der Chancen und in Bezug auf die Zukunft der Hauptstadtregion sei es „total egal, ob der Flughafen sechs Wochen später oder früher eröffnet wird“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false