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Schwieriges Erbe. Noch im vergangenen Jahr ehrte Matthias Platzeck seinen Vorgänger.

© dpa

DDR-Vergangenheit: SPD bestreitet Sonderweg in Brandenburg

Ein Enquete-Gutachten zu Stasi-Spitzeln und Funktionären vertieft die Spaltung der politischen Lager. Die SPD verteidigt Ex-Ministerpräsident Stolpe, die Opposition sieht die Aufarbeitung diskreditiert.

In Brandenburg spitzt sich die Kontroverse um das jüngste Enquete-Gutachten zu Stasi-Spitzeln und früheren Funktionären des DDR-Regimes im Landtag weiter zu. Die Opposition aus CDU, FDP und Grünen reagierte am Dienstag empört, dass aus den Reihen der rot-roten Koalition weiterhin versucht wird, das aktuelle Gutachten zur Stasi-Überprüfungspraxis in Brandenburg seit 1990 noch vor der offiziellen Veröffentlichung und Debatte in der Kommission öffentlich „zu diskreditieren“.

Zuvor hatte SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher erneut die beiden Gutachter, die frühere Leiterin der Außenstelle Potsdam der Stasi-Unterlagenbehörde, Gisela Rüdiger, und den Stasi-Experten Hanns-Christian Catenhusen, scharf angegriffen. Holzschuher warf den Autoren vor, mit ihrer Expertise „wissenschaftlichen Kriterien nicht zu entsprechen“. Die SPD-Landtagsfraktion habe geschlossen seine Kritik am Gutachten geteilt, dass es sich um „politische Stimmungsmache“ handle, um „plattesten politischen Meinungskampf.“ Außerdem bestritt Holzschuher rundweg, dass es beim Umgang mit der SED-Diktatur in Brandenburg, das als „kleine DDR“ galt, einen Sonderweg gab. Es sei ein „ostdeutscher Weg“ gewesen, sagte er – und schränkte dies lediglich mit dem Fehlen eines Stasi-Beauftragten über zwei Jahrzehnte ein, ein Amt, das Brandenburg – mit der Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe – Ende 2009 geschaffen hatte. In Brandenburg hatte es seit 1991 – als einzigem östlichen Bundesland – keine Stasi-Überprüfung des Landtages mehr gegeben.

Seine Kritik am Gutachten begründete Holzschuher unter anderem mit den Passagen zum früheren Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD), in denen das Gutachten die Position der Stasi-Unterlagenbehörde wiederholt, wonach dieser ein inoffizieller Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit gewesen sei. Holzschuher verwies darauf, dass im Gutachten nicht erwähnt wurde, dass ein Untersuchungsausschuss des Landtages Stolpe 1993 entlastet hatte, ebenso wenig wie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach der frühere Regierungschef und Ex-Bundesverkehrsminister nicht als Stasi-IM bezeichnet werden darf. Allerdings spielt der Fall Stolpe im Gutachten (siehe nebenstehender Beitrag) ohnehin nur am Rande eine Rolle.

Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser äußerte sich etwas moderater, aber auch sie kritisierte das Gutachten erneut: Sie vermisse wissenschaftliche Quellen aus den letzten 20 Jahren. „Schlussfolgerungen und Attribute der Gutachter“ seien „mehr moralischer und politischer Natur als eine wissenschaftliche Bewertung“. Kaiser sprach sich für eine sachliche Debatte in der Kommission aus. Die Vorveröffentlichung samt Wertungen habe die Arbeit nicht erleichtert, sagte Kaiser. Es werde aber „keinen Boykott“ durch die Linken geben.

Die Opposition kritisierte die Attacken aus den rot-roten Reihen als perfide, da die Gutachter zum einen unter Beteiligung der Linken ausgewählt worden waren – und sich diese zum anderen bis zur offiziellen Behandlung ihres Gutachtens in der Sitzung der Enquete-Kommission am 24. Juni öffentlich nicht wehren dürften. Die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg sagte dazu: „Es wird versucht, Deutungshoheiten zu formulieren.“ Das Anliegen sei aber „zu ernst für solche Spielchen“.

Sie äußerte sich irritiert über eine „abenteuerliche“ Erklärung Holzschuhers vom Wochenende, in der es wörtlich hieß: „Die Voraussetzung für die Friedlichkeit der Revolution von 1989 war das Versprechen der zweiten Chance. Die Alternative war Blutvergießen.“ Eine solche Argumentation sei absurd, die ganze Debatte habe schon einen „gewissen Schaden“ für die Enquete-Kommission angerichtet. Und die CDU-Fraktionsvorsitzende Saskia Ludwig sagte, die „Schärfe“, mit der Holzschuher reagiert habe, sei nicht nachvollziehbar. Schließlich stehe die brandenburgische SPD, so fügte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel hinzu, selbst ja gar nicht in Verdacht, alte Funktionärseliten übernommen zu haben, „anders als CDU und Linke“.

In einem Punkt machten Linke und SPD unter dem Eindruck der aktuellen Debatte Zugeständnisse. Linke-Fraktionschefin Kerstin Kaiser sprach sich dafür aus, die Situation für Opfer des SED-Regimes in Brandenburg zu verbessern. „Da haben wir noch genug dicke Bretter zu bohren.“ Hintergrund ist, dass verschiedene Gutachten für die Enquete-Kommission erhebliche Defizite beim Umgang mit SED-Opfern festgestellt hatten. Brandenburgs Diktaturbeauftragte Ulrike Poppe hatte sich im Tagesspiegel vor einigen Wochen dafür ausgesprochen, eine Landesentschädigung für vom SED-Regime verfolgte Schüler wie in Sachsen zu schaffen. Dies sei, sagte nun Holzschuher erstmals, „grundsätzlich richtig.“

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