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Schön schrill.

© Promo

"Deaf Burlesque Show": Gehörlose Erotik im Heimathafen Neukölln

Am Sonnabend findet im Heimathafen Neukölln eine ganz andere Art der Burlesque Show statt. Die Darsteller sind gehörlos.

In einem hellen Raum, an einem langen, U-förmigen Tisch sitzen 20 Menschen. Sie alle unterhalten sich angeregt, diskutieren aufgeregt, Augenbrauen zucken, Hände gestikulieren wild, doch man hört: absolut nichts. Wo normalerweise ein hoher Geräuschpegel wäre, ist es hier bei den letzten Besprechungen zur Premiere von „Deaf Burlesque“ ganz still. Von den Schauspielern der Show bis zum Türsteher sitzen alle versammelt in einem Raum des Gehörlosenzentrums in der Friedrichstraße und klären letzte Fragen.

„Eure Stöckelschuhe sind zu laut für den Backstage-Bereich“, sagt Ute Sybille Schmitz in Gebärdensprache zu den gehörlosen Schauspielerinnen. „Wie laut das ist, können sie ja nicht hören“, sagt sie zur Gruppe der Hörenden gewandt. Die 56-Jährige ist die Regisseurin der „Deaf Burlesque Show“, die am heutigen Sonnabend im Heimathafen Neukölln Premiere feiert.

In der erotisch-komischen Tanzshow strippen und tanzen sich zehn hörende und gehörlose Schauspieler zwei Stunden lang in 40 Kostümen durch 15 Szenen, die, musikalisch untermalt, jeweils kleine Geschichten erzählen: „Sandy mimt zum Beispiel eine dominante Chefin“, sagt Schmitz. „Serdar bewirbt sich bei ihr und muss sich dann ausziehen.“ Vor drei Jahren gab es die erste „Deaf Burlesque Show“ auf einer kleinen Bühne in Schöneberg. Jetzt kommt sie einmalig in den etwa großen Saal des Heimathafens mit etwa 300 Plätzen, danach geht’s auf Deutschland-Tour.

Tanzshow mit Gehörlosen birgt einige Tücken

Eine musikalische Tanzshow mit Gehörlosen birgt einige Tücken, allen voran die Gefahr für die Mitwirkenden, den richtigen Einsatz zu verpassen: „YMCA ist schwierig“, sagt Schmitz und verdreht lächelnd die Augen. „Dafür gibt es aber zum Glück Serdar.“ Der 37-jährige Serdar Danis ist als einziges Ensemblemitglied hörgeschädigt, also nicht komplett taub. Er hört die Einsätze des Village-People-Songs am ehesten, kann so die anderen Tänzer führen.

Schmitz, von allen Billa genannt, ist Gründerin des Vereins „Die Visionäre“, mit dem sie neben dieser Show weitere kulturelle und inklusive Projekte mit Gehörlosen und Hörenden veranstaltet. Die durchtätowierte Wahlberlinerin ist gelernte Maskenbildnerin, hat ein Kinderbuch geschrieben und ist jetzt staatlich geprüfte Gebärdensprachdolmetscherin.

Gebärden für das Wort Burlesque mussten erst erfunden werden

Schmitz’ Eltern waren gehörlos, sie ist also ein sogenanntes Coda (Child of deaf adults), da liegt ihr Inklusion besonders am Herzen. „Viele Gehörlose sehnen sich nach etwas Normalem, auch nach Erotik“, sagt Schmitz. Das findet auch der gehörlose Thomas Kube, der am heutigen Samstag an der Abendkasse sitzen wird. Dass auch Gehörlose sich erotisch zeigen können, sei für den 41-Jährigen ein großer Schritt zur Gleichberechtigung, sagt er. „Wir können alles, wir hören nur nicht.“

Gebärden für das Wort Burlesque mussten von der Truppe übrigens erst erfunden werden, viele Gehörlose konnten mit dem Begriff zunächst nichts anfangen. Geeinigt haben sich jetzt alle auf zwei Hände, die den Ausschnitt einer Corsage andeuten. Das verstehen alle.

„Deaf Burlesque Show II“, Sonnabend, 20 Uhr, Heimathafen Neukölln, Karl-Marx-Straße 141. Eintritt: 25 Euro. Im Anschluss an die Show gibt es eine Party. Weitere Informationen unter: www.heimathafen-neukoelln.de

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