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Debatte um das Tempelhofer Feld: Bloß keine Bäume!

Vor drei Wochen forderte Anna Sauerbrey auf unseren "Mehr-Berlin-Seiten" Bäume für das Tempelhofer Feld. Dagegen findet der Chef der Stiftung Zukunft Berlin: Einer so einzigartigen Fläche wie dem Flugfeld darf man nicht mit Gestaltungen kommen. Hier antwortet er.

Liebe Frau Sauerbrey,

ja, ich liebe sie auch, die Berliner Bäume in den großen Wäldern der Stadt und vor allem die Straßenbäume, von denen Sie schreiben, fast eine halbe Million haben wir davon. In den achtziger Jahren habe ich als Umweltsenator Tausalz in den Straßen verboten, weil man damals ihre Gefährdung durch das Salz befürchten musste.

Und ich liebe das Wasser hier in Berlin in dieser Wasserstadt Nummer eins in Europa. Das Wasser der Seen, Flüsse und Kanäle, sogar das Grundwasser in Berlin und Brandenburg. Das ist ein unterschätzter Reichtum. Und ich liebe das Grün überall, in den Parks, auf den Mittelstreifen, in den Gärten. Deswegen haben wir trotz der Euphorie von 1989 und unseren Träumen von neuen baulichen Entwicklungen in Berlin nach der Mauer die Zahl und Quadratmeter der Parks nicht verkleinert, sondern vergrößert.

Schön grün - die Gärten auf dem Tempelhofer Feld:

Aber ich liebe auch die Treppen da unten im Tal des Reichstags an der Spree und will da weder Baum noch Strauch haben. Ich liebe eben auch die steinerne Stadt mit ihren Pflastern und Wänden. Das Tempelhofer Feld mit seiner Geschichte und seiner innerstädtischen Grenzenlosigkeit hat noch mehr Aufgaben und Zukünfte als die grünen. Auch wieder typisch: Bei aller Pracht ist das Grün in Berlin ein städtisches. Es hilft mit, eine Stadt zu schaffen, die wie kaum eine andere vom Wert des Grünen in der Stadt Zeugnis ablegt.

Was ich nicht liebe, ist, wenn es in einer Stadt überall alles von etwas Schönem und vielleicht sogar in der immer gleichen Art geben soll. Ich liebe das Anderssein der Stadt von Abschnitt zu Abschnitt. Ich liebe Städte, in denen man sich vor Überraschungen nicht sicher sein kann. Ich liebe die Fülle des Unterschiedlichen, das die Stadt zu bieten hat. Wenn man immer wieder sagen kann: „Dass es auch so was hier gibt ...“

Das Tempelhofer Feld ist keine Privatsache.

Eine solch große und großartige Überraschung ist das Tempelhofer Feld: eigentlich unvorstellbar, mitten in der Stadt neben einem wahnwitzigen Gebäude der Architekturgeschichte. Als habe ein außerirdischer Riese, kurz bevor er uns selbst die Ehre gibt, schon einmal seinen Spielplatz abgeworfen.

Ideen für das Tempelhofer Feld der Zukunft:

Und da kann man den anderen Riesen dort nicht außer Acht lassen: das – ebenfalls unverschämt große – Gebäude. Beide zusammen lassen die Unvergleichlichkeit entstehen, über die Tempelhof verfügt und die es in aller Welt bekannt gemacht hat. Deshalb ist es auch keine Berliner Privatsache, wie damit umgegangen wird.

Auf solch einer Fläche, die es weit und breit nicht noch mal gibt, darf man nicht mit Gestaltungen kommen, wie sie überall – und sehr hübsch – sein können. Die haben an „ihren Stellen“ ihren Platz. Und den sollte man ihnen dort auch nicht wegnehmen. Das Tempelhofer Feld hat seinen, hat seinen einzig möglichen Platz dort, wo es liegt. Und muss auch so bleiben dürfen, wie es ist. Es hat sogar die Pflicht, sich seine Besonderheit nicht begradigen zu lassen. In seiner Einmaligkeit gehört es zu den seltensten Lebewesen weltweit und hat einen dementsprechenden Schutz verdient.

Liebe Frau Sauerbrey, da haben Sie wieder recht: Das eigentlich sehr schöne Wort „Wiese“ ist eine Verniedlichung gegenüber dem, was auf dem Tempelhofer Feld angeboten wird. Und mit Verlaub allerdings: „Wüste“ ist das natürlich auch nicht. Das wird weder dem Tempelhofer Feld gerecht noch der Wüste in all ihrer Pracht.

Das Tempelhofer Feld stellt in der Gewaltigkeit dieser Fläche seine eigenen Regeln für den Umgang mit ihm auf. Es darf sich nicht von woanders kommenden Regelwerken beugen und schon gar nicht den „normalen“. Meine Überzeugung ist, dass man den einzelnen Orten erlauben sollte, das zu machen, was sie am besten können. Raumgreifend, in den Raum greifend. Wie sich da mitten in der Stadt ein Gebiet Begrenzungen verweigert. So tut als kenne es keine Grenzen, obwohl es doch mitten in der Stadt liegt. Nicht dass da Grenzen niedergerissen würden oder worden wären – sie sind einfach nicht da.

Volker Hassemer

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