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Will man hier wohnen? Nein, meint Bausenator Geisel. Na klar, meint Familie I., die zwei studierende Töchter hat, die aber abgebildet werden möchten.

© Kai-Uwe Heinrich

Debatte um Geisels Ausnahmegenehmigung: Sehr glücklich mit Lärm am Leipziger Platz

Senator Geisel hat "lärmige Luxuswohnungen" mit einer Ausnahmegenehmigung verhindert. Wir haben zwei Frauen gefunden, die sich über das Leben an zentralster Stelle freuen.

Von Fatina Keilani

Hier will also niemand wohnen, in so einer „lärmigen Luxuswohnung“? Oder etwa doch? Wir klingeln einfach in einem der Häuser am Leipziger Platz, über den unablässig die Autos rollen. Es öffnen zwei junge Frauen, Maryam und Esra I.*, 19 und 23 Jahre alt, Studentinnen. Sie leben seit Februar mit den Eltern und zwei Katzen im achten Stock direkt gegenüber vom geplanten Neubau, in dem das Wohnen angeblich unzumutbar sein soll. SPD-Bausenator Andreas Geisel gerät in der Angelegenheit immer stärker unter Druck. Er hatte einem Investor, der von SPD-Mitglied und Ex-Senator Peter Strieder beraten wird, eine Ausnahmegenehmigung erteilt: Der Investor darf auf Wohnungen verzichten und ausschließlich lukrative Büroflächen errichten. Geisel begründete dies mit teils irreführenden Behauptungen, etwa zur für Privatwohnungen angeblich unzumutbaren Lärmbelästigung. Zeit für einen Hausbesuch.

Der Blick aus der Küche auf das Oktogon ist spektakulär, der Verkehr erzeugt ein Grundrauschen. „Ich kann ja mal das Fenster zumachen“, sagt Maryam I. Ach, war es auf? Sie schließt das Fenster, nun ist kaum noch etwas zu hören. „Die Fenster sind super isoliert“, sagt die 23-jährige Jurastudentin. „Und die Bautechnik entwickelt sich ja auch fort, da drüben können sie es dann ja noch besser isolieren.“ Sie lacht. Gerade hatte sie Baurecht im Studium; sie weiß, wann eine Befreiung erteilt werden kann. Ihre Familie sei total zufrieden hier, sagen die Schwestern.

Sie waren die treibende Kraft des Umzugs. „Vorher wohnten wir in Heiligensee, das Haus war natürlich größer und mit Garten und so, aber wir wollten lieber in eine kleinere Wohnung, die dafür zentraler ist.“ Genau genommen wollten die jungen Frauen zum Studieren von zu Hause weg, aber die Eltern mochten sie nicht so einfach gehen lassen und zogen deshalb mit. „Ja, die waren bereit für das Abenteuer“, sagen die Schwestern. „Wir haben von ihnen tausendmal bestätigt bekommen, dass sie jetzt auch sehr glücklich damit sind.“

Die Familie hatte sich in mehreren Häusern des Achtecks Wohnungen angeschaut, es sind rundherum noch welche zu haben. Insoweit mag Senator Geisel Recht haben: Übermäßig gefragt ist der teure Wohnraum hier nicht. Für die aufgerufenen Preise kann man in Bestlagen ruhiger wohnen.

Die Töchter I. haben große Glasfronten über dem Platz, die Eltern schlafen nach hinten raus. Lauter als etwa an der Yorckstraße ist es hier gewiss nicht. Der Nachbar habe allerdings manchmal ziemlich laut Musik an, sagen die Schwestern, aber das gebe es überall. Nur Geldsorgen darf nicht haben, wer hier wohnen will. 3.000 Euro warm zahlt die Familie für die 160 Quadratmeter mit Parkett und edlen Bädern, „und 150 Euro monatlich pro Tiefgaragenplatz“, wovon drei benötigt werden.

Die Eltern sind arbeiten, sie haben einen Getränkegroßhandel. Auffällig ist, dass die anderen Klingeln der Hausbewohner nur mit Initialen gekennzeichnet sind. Die Schwestern lachen. „Das hatten wir auch erst überlegt, aber dann haben wir es doch nicht gemacht. Denn dann findet der Paketbote uns nicht – und wir bestellen ziemlich viel im Internet.“

*Namen geändert

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