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An den Rand gedrängt. Die Mietpreissteigerungen in der Innenstadt zwingen immer mehr Einkommensschwache, in Außenbezirke wie Marzahn-Hellersdorf zu ziehen. Foto: dapd

© ddp

Debatte um Mietpreise: "Ziehen Sie doch nach Marzahn-Hellersdorf!"

DGB und Diakonie warnen vor neuen Armen-Ghettos in Randgebieten und fordern höhere Mietzuschüsse. Sonst drohe dem ganzen Sozialgefüge eine gefährliche Schieflage.

Von Katrin Schulze

Diesen einen Satz hören die Betroffenen immer wieder. „Ziehen Sie doch nach Marzahn-Hellersdorf!“ Vor allem Hartz-IV-Empfänger, Rentner, Alleinerziehende und Migrantenfamilien werden zunehmend mit der Situation konfrontiert, ihre gewohnte Umgebung zu verlassen und in preiswertere Wohnungen in Außenbezirken zu ziehen. Denn obwohl die Mieten gerade in der Innenstadt immer wieder gestiegen sind, wurden die Sätze für die Wohnkostenübernahme teilweise seit sechs Jahren nicht mehr erhöht. „So entstehen ghettoähnliche Bezirke“, sagt Susanne Kahl-Passoth, Diakoniedirektorin. „Das gesamte innerstädtische Sozialgefüge gerät in Schieflage.“

Zusammen mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) hat das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz am Dienstag deshalb eine deutliche Anhebung der Sätze gefordert. Besonders schlimm sieht es demnach bei kleinen Wohnungen aus – für Wohnungen unter 40 Quadratmetern sind die Mieten laut des Mietpreisspiegels zuletzt bis zu 14,8 Prozent angestiegen. Dabei werden diese Wohnungen am häufigsten gebraucht – von den 332 000 Bedarfsgemeinschaften entfallen 203 000 auf Ein-Personen-Haushalte, für die von den Ämtern derzeit eine Warmmiete von bis zu 378 Euro übernommen wird. Bei ZweiPersonen-Haushalten gewährt das Jobcenter eine Wohnkostenübernahme von maximal 442 Euro, bei Drei-Personen-Haushalten 543 und bei Vier-Personen-Haushalten bis zu 619 Euro. „Dafür eine Wohnung zu finden, ist nicht realistisch“, sagt Doro Zinke. Die DGB-Vorsitzende befürchtet, dass künftig immer mehr Menschen aus ihren sozialen Zusammenhängen gerissen werden.

Bei der Vorstellung des neuen Mietspiegels 2011 Ende Mai hatte die Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) keinen Anpassungsbedarf gesehen. Tatsächlich mussten im zurückliegenden Jahr etwa 1200 Sozialhilfeempfänger zwangsweise umziehen. Das klingt im Verhältnis zur Gesamtzahl gering, doch weil viele in ihrer alten Wohnung oder zumindest im Viertel bleiben wollen, zahlen sie die Differenz zwischen Miete und Wohnkostenübernahme vom Regelsatz oft noch selbst. Und damit geht ein anderes Phänomen einher: Allein im vergangenen Jahr gab es beim Jobcenter Anträge auf Übernahme von Mietschulden in Höhe von insgesamt zwölf Millionen Euro, heißt es vonseiten des DGB; im laufenden Jahr werden es voraussichtlich noch mehr werden.

„Viele Menschen sparen am Essen, damit sie sich die Wohnung leisten können“, sagt Zinke. Außerdem seien auch immer mehr Familien und mittlere Einkommensgruppen vom Wohnungsproblem betroffen. Um an diese Informationen heranzukommen und mehr über die Verhältnisse und die Schicksale Einzelner zu erfahren, haben DGB und die Diakonie zu einer ungewöhnlichen Methode gegriffen. Sie engagierten einen virtuellen Affen als Vermittler. Mike in Berlin heißt er, und Mike recherchierte inkognito über sein Facebook-Profil. Die Aktion soll Aufmerksamkeit erregen und die Verbindung mit kleineren Interessengruppen in den Kiezen erleichtern. Diakoniedirektorin Susanne Kahl-Passoth sagt: „Eine Vernetzung aller Initiativen ist mit Blick auf die Wahlen im September sicher hilfreich.“

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