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Flasche leer. Öffentliches Trinken führt vielerorts zu Konflikten.

© imago/Steinach

Debatte um Sonntagsöffnung von Spätis: 30 Verstöße – und trotzdem geöffnet

Berlin streitet über die Sonntagsöffnung seiner Spätis. Der Bezirk Mitte will härter dagegen vorgehen. Bislang hat das aber kaum Folgen, wie ein Beispiel zeigt.

Von Laura Hofmann

Wer am Sonntag noch schnell Milch oder Zigaretten beim Späti holen möchte, muss nicht lange suchen. Die Shops nehmen das Verkaufsverbot bekanntlich gelassen und öffnen trotzdem ihre Türen.

Auch in Mitte, wo die sich Beschwerden über den von Partytouristen und Feierwütigen verursachten Lärm von Anwohnern häufen, und Bürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) gerade verschärfte Kontrollen ankündigte, nahm auch am Sonntag alles seinen gewohnten Lauf.

Gegenüber vom KitKat-Club an der Köpenicker Straße freuen sich viele Clubgänger über die Gelegenheit, sich noch mit Verpflegung eindecken zu können. Während der Andrang in der Mittagszeit noch überschaubar ist, sei am späten Nachmittag mit einem Ansturm zu rechnen. „Ab 17 Uhr ist hier volles Haus“, prophezeit der junge Mann hinter der Theke.

Das Sonntagsgeschäft sei für ihn ergiebig wie an keinem anderen Tag. Die konstante Befürchtung, das Ordnungsamt könne zur Kontrolle vorbeikommen, sei aber eine Belastung. Vor zwei Wochen sei das schon mal passiert, die Geldstrafen sind hoch.

Im Spätkauf Rosenback am Weinbergsweg, Ecke Rosenthaler Platz, gibt es neben Backwaren und Lebensmitteln vor allem Tabak und Alkohol. Die Bänke vor der Tür laden zum Verweilen ein. Am Sonntagnachmittag ist es vorerst aber ruhig, nur hin und wieder kommen junge Leute vorbei und kaufen Getränke oder Süßwaren.

Der Betreiber ist sich des Öffnungsverbots bewusst, könne es aber nicht einhalten. „Würden wir sonntags dauerhaft schließen, würden wesentliche Einnahmen wegfallen. Das wäre fatal“, sagt er.

Grüner: Spätis, die sich an Regeln halten, werden kriminalisiert

Der Konflikt zwischen ihm und anderen Gewerbetreibenden und Anwohnern reicht weit ins vergangene Jahr zurück. Damals hatte sich eine Initiative in einem offenen Brief über die Zustände beschwert: 200 bis 300 Menschen seien es, die in den warmen Monaten vor dem zum Biergarten umfunktionierten Späti nachts Alkohol trinken, laut grölen, Müll hinterlassen und mangels Toiletten im Laden in die Gegend pinkeln.

Nun hat das Bezirksamt Mitte auf Anfrage von Taylan Kurt (Grüne) bekannt gegeben, dass das Ordnungsamt 30 Verstöße des Shops registriert hat – seit 2016. In 27 Fällen wurde ein Bußgeld verhängt, was jedoch nicht immer gezahlt werden musste, weil der Inhaber in einigen Fällen vor Gericht gewann.

Im Oktober hatte das Bezirksamt entschieden, dass die Schankwirtschaft wegen Verstößen gegen die Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr nicht mehr betrieben werden darf. Doch auch hier legte der Inhaber Widersprach ein. Nun entscheidet das Verwaltungsgericht. Zwar „bestehen Zweifel an der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit“ des Späti-Betreibers, so Bürgermeister von Dassel. Doch die Verstöße reichten seiner Einschätzung nach nicht aus, um ihm die Gewerbeausübung zu verbieten.

Das ärgert den Verordneten Kurt: „Das Bezirksamt ist aufgefordert, dort punktuell einzugreifen, wo es massive Beschwerden gibt und sich mit anlasslosen Kontrollen von Spätis zurückzuhalten“, sagte er dem Tagesspiegel. Während die Verstöße beim Späti am Weinbergsweg bisher ohne echte Konsequenz blieben, würden alle anderen Spätis, die sich an die meisten Regeln halten, „durch diese absurde Debatte" vom Bezirksamt kriminalisiert. „Wir haben in Mitte definitiv andere gewichtigere Probleme, bei denen das Ordnungsamt eingesetzt werden sollte.“

Die Schicht am Sonntag ist stets mit Angst verbunden

U-Bahnhof Heinrich-Heine-Straße. Der kleine Späti sieht auf den ersten Blick geschlossen aus. Obwohl Bänke vor der Tür stehen, scheint das Licht aus zu sein und der Laden ist leer. Hier gibt man sich betont unauffällig, wieder ist die Furcht vor Kontrollen präsent.

„Was mich am meisten ärgert, ist, dass das Gesetz nicht richtig begründet wird“, kritisiert der Betreiber hier. „Gut, wir dürfen nicht öffnen Sonntags, das sagt das Gesetz - aber warum denn eigentlich?“ Die Kundschaft wäre ja schließlich auch froh über die Möglichkeit, Einkäufe erledigen zu können. Abgesehen von Behörden würde sich hier sonst niemand über die geöffneten Läden beschweren. In Neukölln würde sich kein Späti-Betreiber mehr trauen, gegen das Gesetz zu verstoßen, die Kontrollen seien hier noch stärker als in Mitte. „Aber auch hier halten wir stets die Augen offen. Tatsächlich sehe ich oft Leute, die hier rumlungern und bei denen man sich fragt, ob das nun ein Kontrolleur ist.“ Die Schicht am Sonntag sei stets mit Angst verbunden.

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