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Berlin: Dem Friseur lauschen

Wie ein Berliner, West, die Stadt erleben kann

Es gibt ja Menschen, die gehen gerne zum Friseur. Als Udo Walz kürzlich Passantinnen in sein Geschäft lud, soll das die Frauen, ja regelrecht in Ekstase versetzt haben. Ich gehe nicht lieber zum Friseur als zum Zahnarzt. Ungefragt plaudern sie mir beim Haareschneiden die Ohren voll, als sei ich ein alter Bekannter. Dabei will ich doch nur einen Haarschnitt, mehr nicht. Bei meinem vorletzten Besuch breitete der Meister 20 Minuten lang seine Theorien darüber aus, wie man Osama bin Laden fangen und angemessen bestrafen könnte. Danach mied ich für lange Zeit jeden Frisiersalon. Bis letzte Woche.

„Sie waren lange nicht beim Friseur, was? Verstehe ich, ich geh ja auch nicht gerne. Wenn’s nach mir ging, würden unsere Haare langsamer wachsen. Dann würden wir uns auch wieder mehr Mühe geben, weil wir drei Mal so viel Geld pro Schnitt verdienen. Seit der Euro-Umstellung ist das schlimm. Da fehlen mir jeden Monat 500 Euro in der Kasse. Und die Bankmanager stopfen sich die Taschen voll.“

„Mhhh.“

„Was machen Sie denn beruflich? Journalist? Ich bin ja Legastheniker. Wie sag’ ich immer? Ich kann nicht richtig schreiben, aber ich kann Haare schneiden. Und mal ehrlich: Damit kommt man in der ganzen Welt herum.“

„Mhhh.“

„Bei Ihnen muss man aufpassen. Die Haare müssen fallen wie ein Kartenhaus, damit man die kahle Stelle nicht so sieht. Wie sag ich immer? So lange noch drei Haare da sind, kann man ’ne Frisur draus machen. Am Hals muss man auch aufpassen. Wenn ich zu viel abschneide, sehen Sie aus wie ’ne Glühbirne.“

„Aha.“

„Nee, wirklich. Die Frisur bestimmt, wie man ankommt. Als ich in Amerika war, habe ich das gemerkt. Da hat mir ein Friseur so ’ne Beatles-Frisur verpasst. Danach haben mich alle schief angeguckt. Haare sind ja alles, was wir Männer haben. Wie sag’ ich immer? Frauen haben schöne Stimmen, schöne Busen. Wir haben nur unsere Haare. Da dürfen wir nichts falsch machen. Die dürfen nicht überm Ohr hängen oder aus der Nase gucken.“

„Mhhh.“

„Vielleicht gehen Sie gleich über die Straße, trinken einen Caffè Latte, und treffen die Frau Ihres Lebens. Da wollen Sie doch ordentlich aussehen. Wie sag ich immer: Wie man hineinspricht, so schallt es heraus. Naja. Wir brauchen nicht die Mauer zurück, wir brauchen mehr Loyalität. Man muss sich wieder in die Augen gucken. Kurzer Sinn der langen Rede: Mit Liebe geht alles besser.“

„Mhhh.“

„Ich kann mich nicht beklagen. Nur, dass ich im Moment Stress hab mit meiner Kleinen. Die kriegt gestern einen Anruf von einem Typen und will mir nicht sagen, wer es war. Da sag ich: Morgen kannste Deine Sachen packen. Da flippt sie aus und will mitten in der Nacht raus aus der Wohnung. Und das bei dem Regen. Da habe ich das Vorhängeschloss vorgelegt.“

Dann war er fertig. Ob seine Freundin noch ausgezogen ist? Ich lasse nächste Woche mal die Spitzen nachschneiden. Lars von Törne

Friseure gibt es eigentlich fast überall.

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