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Berlin: Dem Partyhimmel so nah

Das Nachtleben erlebt einen Aufstieg: Statt in muffigen Kellern wird in luftigen Hochhaus-Clubs gefeiert

Die Erkenntnis ist erschreckend, denn sie enthält zugleich ein Schuldeingeständnis: Womöglich hat das Berliner Partyvolk jahrelang in dem Irrglauben gelebt, es müsse sich zum Feiern in die hintersten Ecken, die düstersten Löcher zurückziehen. Anzeichen und Beispiele dafür gab und gibt es: Meterdick sind etwa die Mauern des ehemaligen Technotempels „Bunker“ in der Reinhardtstraße. Und im unweit entfernten „Tresor“ verziehen sich die tanz- und pillenberauschten Nachtschwärmer gleich im Keller – abgeschottet von der grellen, verständnislosen Welt da draußen.

Damit ist nun Schluss, denn jetzt scheuen Clubbetreiber und Veranstalter weder das Licht noch die Verbindung zur Außenwelt. Im Gegenteil: Sie wollen hoch hinaus, und das Panorama der Berliner Skyline dient ihnen als Kulisse ihrer Partyinszenierungen – beeindruckender und vor allem viel realer als die üblichen Videoprojektionen so genannter Visual- Künstler, mit denen die Tanzflächen der Clubs bislang illuminiert wurden.

Zum Ziel gelangt man in den meisten Fällen per Fahrstuhl. Beim derzeit vielleicht angesagtesten Club der Stadt, dem „Week-End“ im „Haus des Reisens“ am Alexanderplatz, ist das eine bisweilen langwierige Angelegenheit und heißt für die Gäste zunächst einmal: Warten. Mitunter windet sich die Schlange meterlang durchs Foyer des angegrauten Bürogebäudes, denn der mit den Jahren offenbar müde gewordene Lift braucht eine Weile, um keuchend die zwölfte Etage zu erreichen. Gerüchteweise sollen dabei frisch verliebte Pärchen – so sie denn das Glück hatten, alleine zu sein – schon mal die Beherrschung verloren haben.

Die Geduld lohnt sich jedoch. Oben angekommen wird der Besucher mit einer angenehm unterhaltsamen Mischung aus House und Elektro empfangen. Um die rechteckige, in der Mitte des Raumes eingelassene Bar laden großzügige Liegeflächen zum Verweilen, mitunter kann man sich da neben Prominenten wie der Moderatorin Nora Tschirner oder dem Schauspieler Tom Schilling wiederfinden. Doch das ist den zumeist selbstverliebten Partygängern aus Mitte vollkommen egal. Denn wer will sich schon mit irgendwelchen Fernsehstars beschäftigen, wenn man doch seinen Blick schweifen lassen und einen unvergleichlichen Ausblick auf den Fernsehturm und den Alexanderplatz genießen kann.

Aus der achten Etage des „40 Seconds“ in der Potsdamer Straße ist der Fernsehturm zwar ebenfalls noch zu erkennen, zwischen den riesigen Hochbauten des Potsdamer Platzes verschwindet er jedoch fast. Dafür schieben sich den Gästen an der Grenze zwischen Ost und West die Philharmonie und das Sony- Center in den Blick. Vierzig Sekunden – daher auch der Name des Clubs – braucht der Lift, um diese Aussicht freizugeben. „Partyfeeling mit 360-Grad-Blick auf Berlin“, verspricht Inhaberin Jennifer Michaels. Am Rosa-Luxemburg-Platz in Mitte betreibt sie bereits die „Lola Lounge“ – übrigens im Kellergeschoss gelegen. Die Clubchefin wusste daher genau, wie sie ihren neuen Treffpunkt einzurichten hat, um die Besucher in Scharen zu locken. Von der eleganten, weitläufigen Bar und den hellen Ledersitzgruppen entlang der Fensterfront zeigte sich bereits Superstar Jennifer Lopez beeindruckt, die hier ihre neue Platte „Rebirth“ vorstellte.

Neben seinem Ausblick hat das „40 Seconds“ noch einen weiteren Vorteil: Im Sommer kann Betreiberin Jennifer Michaels die Party auf die Dachterrasse verlagern. Dass sich das Feiern über den Dächern Berlins beim Partyvolk wachsender Beliebtheit erfreut, zeigen auch die Veranstaltungen, die regelmäßig auf dem Dach des „Stilwerks“ in der Kantstraße stattfinden. Hier liegt den Besuchern die City West zu Füßen.

Auf die Selbstbeteiligung seiner Gäste bei der Party hoch über der Stadt setzt indes Veranstalter Florian Grolman. Mit Beginn der warmen Jahreszeit organisiert er alle 14 Tage mittwochs ein Treffen für all jene, die von den Dächern Berlins aus den Blick in den Himmel genießen wollen. Sein Konzept: Einer ruft, alle kommen; einer kocht, die Gäste bringen die Drinks. Einer zeigt, alle staunen – über die beeindruckende Skyline, die Ferne, die laue Brise, die Wolken, Berlin.

Wer will bei solchen Aussichten seine Nächte noch in muffigen Kellern oder dunklen Räumen verbringen?

Im Week-End gibt es heute ab 23 Uhr die Party „F.U.N.“ mit den DJs Marosch und Defekt. Die Bar im Club hat dienstags, mittwochs und sonntags bereits ab 20 Uhr geöffnet. Im „40 Seconds“ feiern heute die „Supergirls“, es legen auf die DJs Monique und Heidi

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