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Berlin: Dem Zentrum für Kinder- und Jugendliteratur "LesArt" wurde gestern der Mietvertrag gekündigt - vom Bund

So etwas gibt es in Europa nur einmal: Das Berliner Literaturhaus "LesArt" bietet seit 1993 eine Vielfalt an Veranstaltungen, die Kindern und Jugendlichen das Lesen näherbringen sollen. Mit Erfolg: Über 40 000 junge Menschen konnten durch "LesArt" Bücher kennen lernen und spielerisch mit Literatur umgehen.

Von David Ensikat

So etwas gibt es in Europa nur einmal: Das Berliner Literaturhaus "LesArt" bietet seit 1993 eine Vielfalt an Veranstaltungen, die Kindern und Jugendlichen das Lesen näherbringen sollen. Mit Erfolg: Über 40 000 junge Menschen konnten durch "LesArt" Bücher kennen lernen und spielerisch mit Literatur umgehen. Mehr als 2500 Lehrerinnen und Bibliothekarinnen lernten in Weiterbildungen, wie sie Kindern ohne den Druck des normalen Unterrichts Lust auf Literatur machen können. Leseförderung nennt sich das.

Nun ist "LesArt" in seiner Existenz bedroht. Gestern ging im Büro des Hauses ein Fax ein, in dem der Mietvertrag mit "LesArt" zum 31. Juli gekündigt wird. Absender war das Bundesvermögensamt Berlin II. Dieses verwaltet das Haus in der Weinmeisterstraße 5 in Mitte. Noch gehört das Haus der Bundesrepublik Deutschland. Da Geld knapp ist, soll es nun verkauft werden. Einfach so, an den Meistbietenden.

Das war aber nicht der Grund für die kurzfristige Kündigung. Der ist etwas komplizierter: Die Verwalter hatten in den vergangenen Monaten gegenüber den "LesArt"-Mitarbeiterinnen mehrmals die Zusage gemacht, es werde demnächst einen Mietvertrag über mindestens drei weitere Jahre für das Haus geben. Die Miete solle leicht steigen, aber weiterhin günstig bleiben.

Von dieser Zusage war keine Rede mehr, als vor einer Woche die Verwalter verkündeten, das Haus werde nunmehr verkauft. Die ersten Interessenten gäbe es schon, einen Makler auch. Dieser kam am vergangenen Freitag mit den Kaufwilligen zur Besichtigung ins Haus. Niemand ahnte etwas von der Vertragszusage durch das Bundesvermögensamt. So wendete sich die "LesArt"-Chefin Sabine Mähne an den Verwalter mit der Aufforderung, zur Zusage Stellung zu beziehen. Bevor dies nicht geschehe, würde kein weiterer Kaufinteressent in das Haus gelassen. Was nun geschah, war die Kündigung. Grund: "LesArt" verschließt das Haus, das "LesArt" gar nicht gehört. Keine Rede vom versprochenen Mietvertrag.

"LesArt" befindet sich nicht nur in einem Haus, das vom Berliner Bundesvermögensamt verwaltet wird, "LesArt" wird auch vom Land Berlin finanziert, genauer: von der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Rund eine halbe Million Mark zahlt diese pro Jahr für das Literaturhaus. Davon müssen die zweieinhalb festen Stellen bezahlt werden, die Veranstaltungen - und die Miete. Wenn diese bedeutend höher wäre als momentan - und davon müsste man bei einem privaten Eigentümer rechnen - könnte "LesArt" nicht weiter bestehen. Dass das Haus verkauft werden soll, davon ahnte in der Senatsverwaltung bis vor Kurzem niemand etwas.

Ingrid Wagner-Kantuser, verantwortlich für die Literatur, kündigte gestern Protest "gegen die absurde Kündigung" bei der Oberfinanzdirektion an. Wie man weiter verfahren könnte, wusste Wagner-Kantuser nicht zu sagen: "Wie Sie wissen, sind wir in der Kulturverwaltung im Moment ja etwas führungslos." Sabine Mähne, die "LesArt"-Chefin sagte: "Wir werden sämtliche Mittel nutzen, um in unserem Haus noch lange bleiben zu können." Ein Rechtsanwalt ist instruiert, die politisch Verantwortlichen sind informiert. Beim Bundesvermögensamt Berlin II war am Donnerstag niemand zu einer Aussage bereit, der Pressesprecher der Oberfinanzdirektion war nicht zu erreichen.

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