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Keinen Bock auf Marzahn. Die Demo-Organisatoren Westermann und Peters.

© dpa

Demo in Wedding: Ausweitung der Kampfzone am 1. Mai

Die „antikapitalistische Walpurgisnacht“ startet dieses Jahr in Wedding – zum Ärger vieler Anwohner.

Das Plakat hat diese spezielle Ausstrahlung irgendwo zwischen Reggae-Konzert und Revolutionsromantik, wer mag, der kann neben Totenköpfen im Lichtschein hinter den Gitarren und schemenhaften Gestalten auch brennende Barrikaden sehen. „Reclaim da Streets“ lautet der Kampfruf im englischen Slang, „holt euch die Straßen zurück“, deutsch etwas wolkiger „Nimm, was dir zusteht!“ Es handelt sich um den alljährlichen Aufruf zur „Antikapitalistischen Walpurgisnacht“.

Eigentlich nichts Besonderes. Doch die Walpurgisnacht, 2011 noch in Friedrichshain abgehalten, soll in diesem Jahr in Wedding stattfinden, zwischen Müllerstraße und den Wohngebieten um die Brüsseler Straße. Diese Ausweitung der Kampfzone hat dort Unruhe unter den Nachbarn ausgelöst, die fürchten, dass die häufig mit Gewalt verbundene Tradition der Nacht vor dem 1. Mai nun auf Wedding übergreift.

Sprecher der Veranstalter äußerten sich am Donnerstag vor der Presse im „Anti-Kriegs-Museum“ in der Brüsseler Straße. Sie weisen den Vorwurf, Probleme von außen in den Kiez hineintragen zu wollen, auf rhetorisch schlichte Weise zurück: „Die Probleme sind schon hier!“ sagt Martin Peters.

Aktueller Antrieb der Demonstration sind die stark steigenden Mieten, die als Zeichen der „Gentrifikation“ und Ausdruck des räuberischen Kapitalismus gesehen werden. „Wir haben keinen Bock, in Marzahn wohnen zu müssen wegen ein paar Affen, die uns hier die Wohnungen wegnehmen“, formuliert Peters. Und sein Mitveranstalter Martin Steinburg fordert kostenlose Wohnungen für jeden. Auch der öffentliche Raum, meint er, werde unter dem Vorwand der Verschönerung immer stärker umzäunt und privatisiert. Entsprechend wurde die Route der Demonstration, die um 21 Uhr am Bahnhof Wedding beginnen soll, durch möglichst viele Wohnstraßen gelegt, denn man hofft auf Zustimmung der entrechteten Mieter. 1500 Teilnehmer wurden bei der Polizei angemeldet.

Die Parole „Nimm, was dir zusteht“ sei in diesem Sinn als Aufforderung zu verstehen, sich den antikapitalistischen Protesten anzuschließen, hieß es. Die Veranstalter sagten, sie rechneten nicht mit Ausschreitungen. Andererseits könnten sie aber nicht jeden einzelnen Teilnehmer überwachen und seien nicht verantwortlich für Dinge, die nach dem offiziellen Ende der Demonstration passierten.

Überdies gehört es zur Argumentation, auf den angeblichen Gewaltcharakter des Kapitalismus hinzuweisen. Der Feind besitzt Immobilien, betreibt Banken, sitzt aber auch in der Staatsbürokratie. „Die Weddinger Jugend hasst das Jobcenter Müllerstraße“, hat Peters herausgefunden und betont, er könne sehr gut verstehen, wenn das Gebäude bei dieser Gelegenheit „eingefärbt“ werde.

Vom Kreuzberger „MyFest“ grenzen sich die Veranstalter ab. Das habe „monströse Ausmaße“ angenommen, sagt Birgit Westermann, dort müsse man für jeden Toilettengang 50 Cent zahlen. „Das wäre früher in Kreuzberg undenkbar gewesen.“

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