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Wahlplakate mit Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) und dem Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD).

© Kay Nietfeld/dpa

Demokratie in Berlin: Wahlkampf ist besser als sein Ruf

Die Parteien sollten bei der Berlin-Wahl ruhig mehr Geld für ihre Werbung ausgeben. Mobilisieren und informieren ist das Herz der Demokratie. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Der Wahlkampf ist keine schöne Jahreszeit. Menschen, die eben noch Koalitionspartner waren oder es bald werden wollen, beschimpfen sich mit hässlichen Worten; Plakate mit idealisierten Bildern und nichtssagenden Sprüchen verschandeln das Straßenbild. Und bezahlt wird das zum Gutteil aus Steuergeldern!

Hat der Wahlkampf den schlechten Ruf verdient? Seine Qualität hat viel mit uns Wahlberechtigten zu tun. Wenige sind die aufgeklärten Citoyens, die eine ideale Demokratie bräuchte: Bürger, die sich freiwillig umfassend informieren, die Stimmabgabe als Privileg empfinden und ihr Wahlrecht gerne nutzen. Wie hoch wäre wohl die Wahlbeteiligung, wenn es keinen Wahlkampf gäbe? Wenn man uns nicht so impertinent daran erinnern würde, dass wir demnächst mal wieder die Wahl haben?

Und wie anders als durch eine Wahlkampfwerbung, deren Omnipräsenz nervt, können Parteien gerade die erreichen, die nicht von sich aus Interesse an der „Res publica“ zeigen, der Sache, die uns alle angeht? Die Zahl derer, die die klassischen Informationsmedien Zeitung, Radio und öffentlich- rechtliches Fernsehen nutzen, nimmt immer weiter ab.

32 Cent pro Wahlberechtigter - das ist spottbillig

Gemessen an ihrer Doppelaufgabe, zu mobilisieren und über die wichtigsten Unterschiede zwischen den Parteien zu informieren, sind deutsche Wahlkämpfe keineswegs teuer. Bei der letzten Bundestagswahl gab die SPD 23 Millionen Euro für ihren Wahlkampf aus, die CDU 20 Millionen (Grüne, Linke und FDP hatten je vier bis fünf Millionen Euro im Etat für die Bundestagswahl).

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Da trennen uns Welten von „amerikanischen Verhältnissen“. Bei der Präsidentschaftswahl 2012 hatte jedes Lager mehr als eine Milliarde Dollar zur Verfügung. Das empfinden Deutsche zu Recht als obszön. Die Etats der SPD und der CDU für die Bundestagswahl entsprechen bei 62 Millionen Wahlberechtigten 37 bzw. 32 Cent pro Adressaten. Bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl 2016 verfügt die SPD über 1,7 Millionen Euro, die CDU über eine Million. Umgelegt auf 2,5 Millionen Wahlberechtigte sind das 68 bzw. 40 Cent pro Person.

Wir haben den Wahlkampf, den wir uns verdienen

Da darf man umgekehrt fragen: Warum ist uns das Werben für den Kernvorgang der Demokratie, die Auswahl der Volksvertreter, nicht mehr wert? Dürfte es nicht ruhig der Gegenwert einer Kinokarte pro Wahlberechtigten für einen Wahlzyklus aus Europa-, Bundes- und Landtagswahl sein? Aus der staatlichen Wahlkampfkostenerstattung stammt im Übrigen weniger als ein Drittel der Parteienfinanzierung in Deutschland. Eine ähnliche Größenordnung haben die Mitgliedsbeiträge. Der Rest stammt aus Spenden und Mandatseinkünften.

Wahlkampf ist keine schöne Jahreszeit, aber eine höchst produktive. Da liegen Strategien im Wettbewerb miteinander. Niemand verliert gerne. Also schauen die Parteien aufeinander: Was hat Erfolg, was nicht? So gesehen, bekommen wir den Wahlkampf, den wir uns als Gesellschaft verdienen.

Deshalb sollte es uns auch nicht wundern, dass Jugendliche und Erstwähler sich kaum in Parteien und Wahlkämpfen engagieren. Fast alle reden diese Kernelemente der Demokratie schlecht. Es ist höchste Zeit zu vermitteln, dass sie ihren Wert haben.

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