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Berlin: Demonstrationen in Berlin: Überraschende Wende: Zahl der Demos nimmt wieder ab

Die Zahl der Demonstrationen in Berlin ist in diesem Jahr deutlich gesunken. Bis Ende September zählte die Polizei 1541 Veranstaltungen.

Die Zahl der Demonstrationen in Berlin ist in diesem Jahr deutlich gesunken. Bis Ende September zählte die Polizei 1541 Veranstaltungen. In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres fanden dagegen bereits 1945 Demonstrationen und Kundgebungen statt. Im Vorjahr hatte die Polizei insgesamt 2440 Versammlungen registriert - mehr als je zuvor. Polizei und Politiker hatten die Zahlen als drastische Steigerung durch den Umzug des Bundestags und der Bundesregierung nach Berlin interpretiert und für dieses Jahr mit einem weiteren Anstieg gerechnet.

Die hohe Zahl an Demonstrationen war vor genau einem Jahr auch der Ausgangspunkt, weswegen die Berliner CDU das Versammlungsrecht einschränken wollte. Innensenator Eckart Werthebach (CDU) hatte damals von einer "exzessiven Nutzung des Versammlungsrechts durch Minderheiten" gesprochen. Der innenpolitische Sprecher der Union, Roland Gewalt, hatte beklagt, durch die Veranstaltungen würden Bürger in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Auf der Konferenz der Innenminister im November will Werthebach jetzt einen Entwurf für ein verschärftes Versammlungsrecht vorlegen, das unter anderem die Möglichkeit vorsehen soll, so genannte "befriedete Bereiche" einzurichten, innerhalb derer nicht demonstriert werden darf. In Berlin sind dafür das Brandenburger Tor, die Neue Wache und das Gelände um das geplante Holocaust-Mahnmal vorgesehen.

Der Vorstoß stößt mittlerweile sowohl beim Bund als auch bei mehreren Ländern auf Resonanz. Auch Innenminister Otto Schily kann sich eine Einschränkung vorstellen; Rheinland-Pfalz hat einen eigenen Entwurf vorgelegt, der dem Berliner Konzept ähnelt. In Berlin lehnen die SPD und die Oppositionsparteien Werthebachs Vorstellungen dagegen ab. Der innenpolitische Sprecher der Berliner SPD, Hans-Georg Lorenz, kritisierte, damit würden demokratische Rechte abgeschafft.

Laut der neuesten Statistik der Polizei hat der Regierungsumzug offenbar nicht zu mehr Versammlungen geführt. Bislang registrierten die Beamten 362 Demonstrationen. Die hohe Gesamtzahl entsteht vor allem durch stationäre Kundgebungen - 1179 bis Ende September. Aller Voraussicht nach wird es in diesem Jahr sogar deutlich weniger Versammlungen geben als 1997, dem bisherigen statistischen Rekordjahr vor dem Regierungsumzug - vor drei Jahren gab es noch 2219 Versammlungen.

80 Prozent der Demonstrationen sind offensichtlich Versammlungen von kleinen Gruppen mit weniger als 200 Teilnehmern. Von Januar bis Mai musste die Polizei 18 Mal das Brandenburger Tor wegen politischer Versammlungen sperren. Der überwiegende Teil der Veranstaltungen verlief friedlich. Am wenigsten Arbeit hatte die Direktion 2 mit einer angemeldeten Veranstaltung am 5. Februar, die ebenfalls in die Statistik einging. Laut Polizei demonstrierten an diesem Tag "ca. 0 Teilnehmer".

Holger Stark

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