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Demontiertes Denkmal: Welcome, Lenin

Der Granitkopf der Ost-Berliner Skulptur soll wieder ausgebuddelt und in drei Jahren in der Zitadelle Spandau ausgestellt werden. 1991 war das 20 Meter hohe Lenin-Denkmal in Friedrichshain demontiert worden.

Die dürre Nachricht verbreitet weder Angst noch Schrecken, höchstens ein wenig Häme: Der Kopf des Lenin vom Leninplatz soll wieder ausgebuddelt und in drei Jahren in einer Ausstellung in der Spandauer Zitadelle ausgestellt werden. Die Schau heißt „Enthüllt – Berlin und seine Denkmale“. Das gewaltige, dreieinhalb Tonnen schwere Haupt des Genossen Wladimir Iljitsch wird sich dann in monarchistischer Gesellschaft befinden und durch die Beine der Hohenzollern lugen – die Figuren von der Siegesallee sollen 2012 ebenso in Spandau stehen wie Büsten und Skulpturen, die bis vor kurzem noch in trauter Runde im Kreuzberger Lapidarium am Halleschen Ufer ein trostloses Dasein fristeten.

Nun also ein Skulpturenpark. Erstaunlich, dass sich 20 Jahre nach dem Mauerfall plötzlich wieder jemand für solch historisches Bildungswerk interessiert. In Moskau und in Budapest, wohl auch in Sofia haben sie gleich nach ihren Revolutionen die Betonköpfe im Freien vereint. Aber sie hatten dort zum Beispiel keine CDU, deren Senator Volker Hassemer das „Good bye, Lenin“ einläutete, indem er das umstrittene Denkmal auf dem Leninplatz von der Denkmalliste strich.

Senatorenkollege Wolfgang Nagel von der SPD brachte Uwe Lehmann-Brauns von der CDU auf die Palme. Nagel hatte in dem Abriss „den gleichen Geist“ am Werke gesehen, der dazu geführt habe, dass das Berliner Stadtschloss gesprengt wurde. So nicht, Herr Nagel!, erboste sich der Kulturchristdemokrat, dies sei eine „blamable Diskreditierung demokratischer Willensbildung“. Dabei machte sich auch Senator Nagel nur Gedanken darüber, „das Denkmal künstlerisch zu relativieren“, zum Beispiel mit einer Begrünung durch Knöterich oder die Versenkung der Statue im Müggelsee. „Die Entsorgung der Geschichte durch den Abriss von Denkmälern ist die am wenigsten geeignete Form des Umgangs mit der Vergangenheit“, erklärte Nagel.

Lenin, dieser steinerne Komtur aus rotem ukrainischen Granit, wurde am 19. April 1970, einen Tag vor dem 100. Geburtstag des Revolutionärs, feierlich enthüllt. Die Figur nach einem Entwurf von Nikolai Tomski war 19 Meter hoch und wurde durch einen Sockel noch einmal ins Monumentale überhöht. Im November 1991 wurde der rote Riese auf Beschluss der Friedrichshainer Bezirksverordneten – 40 waren dafür, 13 dagegen – „unter großer Anteilnahme der Bevölkerung“ zerlegt und im Forst bei Köpenick verbuddelt. Ganze 350 Tonnen schwer, mit 125 Segmenten. Die einen klatschten Beifall, die anderen protestierten. Der Bauleiter ahnte: „Wenn der Kopp erst runter ist, wird alles leichter.“

Die titelgebende Szene in dem Erfolgsfilm „Good Bye, Lenin!“ von 2003 – der Kopf der Statue fliegt am Haken eines Hubschraubers über Berlin – war also frei, aber gut erfunden.

Nun also Lenin im Museum: Möglich, dass die alte Debatte nun noch einmal aufflammt. Vielleicht kommt ja sogar der Vorschlag, den roten Granit für das Einheitsdenkmal zu verwenden, ohne Kopf natürlich? Der steht dann eines Tages in Spandau, Kinder klettern darauf herum und fragen: „Oma, wer issn dette?“ Lothar Heinke

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