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Berlin: Den Arbeitsplatz selbst schaffen

Die „Initiative Selbstständiger Immigrantinnen“ hilft Frauen seit zehn Jahren dabei, ein eigenes Unternehmen zu gründen

Von Nina Hardenberg

Für die Existenzgründerin Güliz Avic ging ein Traum in Erfüllung: Im Oktober öffnete sie ihren kleinen Bioladen in der Reinickendorfer Straße 105. Bis es soweit war, hatte die türkische Immigrantin, die vor 16 Jahren ihrem Mann nach Deutschland folgte, einen langen Weg hinter sich. Die Hochschulabschlüsse der studierten Chemikerin wurden in Berlin nicht anerkannt. Deshalb arbeitete Avic jahrelang als Tagesmutter und Einzelfallhelferin, bis sie eines Tages beschloss, sich selbstständig zu machen. Beim Arbeitsamt Köpenik, wo Avic Hilfe suchte, verwies man sie an die „Initiative Selbständiger Immigrantinnen“ (I.S.I.).

Avics Geschichte ist unter den Frauen im Bildungszentrum von I.S.I. kein Einzelfall. „Die Existenzgründung ist oft die einzige Möglichkeit für die Frauen, eine Arbeit zu finden und damit ökonomisch unabhängig zu werden“, erklärt Gönül Nar, Projektleiterin von I.S.I.. Die Frauen, die I.S.I. berät, sind häufig gut qualifiziert und würden gerne arbeiten. Auf Grund von Sprachbarrieren und der mangelnden Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen Abschlüsse bleibt ihnen aber der Zugang zum Arbeitsmarkt verwehrt.

Der Verein hat dies vor 10 Jahren als einen wesentlichen Grund der hohen Arbeitslosigkeit von Frauen erkannt. Vor zehn Jahren wurde das Bildungszentrum in Kreuzberg eröffnet, das Immigrantinnen auf dem Weg in die Selbstständigkeit berät. Das Konzept erwies sich als so erfolgreich, dass der Verein gerade in größere Räume umzieht.

In einjährigen Kursen werden die Frauen auf die Existenzgründung vorbereitet. „Manche Kursteilnehmerinnen trauen sich anfangs noch nicht einmal, einen Telefonhörer abzunehmen“, erklärt Nar: „Bei uns erkennen sie ihre Stärken und entwickeln ein neues Selbstbewusstsein.“ Das Programm des Vereins beinhaltet Grundkurse in Betriebswirtschaftslehre, EDV und Wirtschaftsdeutsch. Außerdem gibt es Rhetorikkurse, die das Auftreten und die Verkaufs- und Verhandlungsstrategien der Immigrantinnen trainieren. Die Projektleiterin bewertet die Bilanz des Vereins positiv, der am vergangenen Freitag sein 10-jähriges Jubiläum feierte. Von den 200 Teilnehmerinnen, die der Verein in seinem Bildungszentrum beraten und betreut hat, haben sich 15 Prozent selbstständig gemacht. 75 Prozent der Absolventinnen fanden eine sozialversicherungspflichtige Arbeitsstelle oder sind dabei, ihre Ausbildung zu vervollständigen. Lediglich zehn Prozent der Frauen sind zur Zeit aus familiären Gründen zu Hause. Die Berufsbilder der Existenzgründerinnen sind vielfältig. Eine Frau eröffnete eine Naturheilpraxis, eine andere ein Café. Viele betreiben Läden im Textil und Lebensmittelbereich.

Am Kottbusser Tor, wohin der Verein jetzt gezogen ist, freut man sich über den Neuzuzug. „Die Gründerinnen von I.S.I. können ein wichtiges Vorbild für andere Frauen hier im Kiez werden“, hofft die Leiterin des Quartierbüros, Sylvia Kahle. „Wenn die Frauen hier selbstbewusst in der Öffentlichkeit auftreten, wird das zu einer allgemeinen Belebung des Viertels beitragen.“ Der Bedarf an Weiterbildung und Beratung im Viertel ist so groß, dass er auch nach dem Umzug noch nicht abgedeckt werden kann. In den neuen Räumen können jetzt zwar mehr Schüler untergebracht werden, doch fehlt es an Geld, um genügend Lehrkräfte einzustellen. Momentan sind die Leiterinnen von I.S.I. neben der Organisation des Vereins auch als Lehrkräfte tätig. Abends führen sie außerdem ehrenamtlich Beratungsgespräche durch, da die Frauen auch nach der Existenzgründung immer wieder das Gespräch mit I.S.I. suchen. Auch Güliz Avic will Kontakt zu I.S.I. halten. Der Verein ist für sie inzwischen ein Stück Familie. „Mein Laden ist nur der Anfang. Ich möchte mit anderen Frauen zusammen etwas aufbauen“, sagt die Unternehmerin. An Ideen mangelt es ihr nicht: „Mein nächstes Projekt ist ein Biogroßhandel mit billigen Produkten aus der Türkei.“

Weitere Informationen zu I.S.I. unter www.isi-ev.de

Nina Hardenberg

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