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Berlin: Den Einkaufsstraßen laufen die Kunden davon

Der Einzelhandel klagt über Umsatzeinbußen, doch es gibt auch die hausgemachten Probleme. Straßenmanager und Stadtplaner wollen gegensteuern

In Berlin sind zahlreiche Einkaufsstraßen von den Umsatz-Einbrüchen im Einzelhandel betroffen: In Tempelhof wehren sich Einzelhändler gegen die Ansiedlung des Kaufhauses Ikea, im Rathaus Steglitz findet heute um 20 Uhr im alten BVV-Saal eine öffentliche Diskussion zur Attraktivität der Schloßstraße statt. Wir haben nachgefragt, woran es den Einkaufsstraßen – außer an Kunden – noch fehlt.

Der Berliner Einzelhandel steckt tiefer in der Krise denn je. Mit einem Umsatzminus von voraussichtlich sieben Prozent gilt das Jahr 2002 als das schwärzeste der Nachkriegsgeschichte. Die Hauptursache für diesen Niedergang ist die weiterhin schwächelnde Konjunktur. Allerdings leidet der Einzelhandel auch an einer ganzen Reihe hausgemachter Probleme.

„Die Händler müssen endlich lernen, sich als Netzwerk zu betrachten“, sagt Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Berliner Einzelhandelsverbandes. Das Gegenteil ist oft der Fall: Jeder werkelt für sich. „Manchmal glaube ich, Einzelhändler heißen nur so, weil sie einzeln handeln.“ Busch-Petersen sagt das sarkastisch, denn einige Quartiere sind mittlerweile ernsthaft bedroht. Unterschiede zwischen dem Ost- und dem Westteil der Stadt gebe es dabei kaum, sagt er. So sei das Tiroler Viertel in Pankow genauso betroffen wie beispielsweise die Friedenauer Rheinstraße. Busch-Petersen beklagt, dass die Händler einer Geschäftsstraße nur über das benachbarte Einkaufszentrum jammerten, anstatt es als Vorbild zu sehen. Einkaufszentren haben ein gemeinsames Konzept und eine gemeinsame Werbestrategie. Dasselbe fordert Busch-Petersen von den Händlern der Berliner Einkaufsstraßen.

Am S-Bahnhof Frankfurter Allee stehen zwei solcher potenzieller Vorbilder. Bei den Händlern der Frankfurter Allee aber sind sie der große Angstmacher: die beiden Ring-Center I und II. Nahezu alles wird dort verkauft. Darüber hinaus lockt Center-Manager Matthias Grah die rund 260 000 Menschen im Einzugsbereich mit Spargelfesten und Modeschauen. Es ist eine Stadt in der Stadt.

Harald Bodenschatz, Professor für Planungs- und Architektursoziologie an der TU Berlin, warnt vor solchen „nicht integrierten“ Gebäuden. „Wenn die gesamte Funktion eines Gebäudes nach innen gerichtet ist, schadet es dem Quartier“, sagt er. Damit meint Bodenschatz Einkaufszentren, die Läden und Cafés der Umgebung nicht nutzen, sondern versuchen, sie obsolet zu machen. Gut integriert in ihre Umgebung sind laut Bodenschatz die großen Kaufhäuser in der Neuköllner Karl-Marx-Straße.

Drei Jahre lang haben die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Karl-Marx-Straße in Neukölln einen Manager bezahlt. Doch seit Ende vergangenen Jahres ist damit Schluss. „Die Händler sind nicht mehr bereit, allein dafür zu löhnen“, erklärt der Geschäftsführer der AG, Dieter Aßhauer. Schließlich beschäftige sich ein Manager teilweise mit öffentlichen Aufgaben. Deshalb will sich Aßhauer jetzt „um Gelder aus anderen Töpfen bemühen“. „Wir arbeiten an einem neuen Konzept, weil wir nach wie vor den Einsatz eines Moderators für notwendig halten“, erklärt der Geschäftsmann. „Ich habe Feste, Modeschauen, Kulturevents organisiert, von denen auch die Händler profitierten“, berichtet der Manager a.D., Norbert Kleemann.

In Berlin müsse man noch viel mehr von den Shopping-Malls der amerikanischen Kleinstädte lernen, ohne sie gleich zu kopieren, sagt Bodenschatz. In den USA sieht die Planung oft so aus: Zwei Einkaufszentren werden durch eine Einkaufsstraße miteinander verbunden. Der wichtige Branchenmix umfasst dort das gesamte Areal. Die Händler dort haben begriffen, dass Einkaufsstraße und -zentrum eine Einheit sind. Entscheidend ist aber auch eine ansprechende, das ganze Quartier umfassende Architektur. So leidet beispielsweise die Schloßstraße in Steglitz an ihrem reichlich verstaubten 60er-Jahre-Image. Es fehlen Restaurants und Plätze, die zum Verweilen einladen.

Markus Horeld

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