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Berlin: Den Tätern auf die Schliche kommen

Das Projekt „Berliner Jungs“ hilft Kindern, sich vor den Übergriffen Pädosexueller zu schützen

So groß war die Resonanz noch nie: Fast 270 Vereine und Initiativen haben sich beim Tagesspiegel für die Spendenaktion „Menschen helfen!“ beworben. Wir können 56 berücksichtigen – und stellen einige Projekte stellvertretend vor. Heute: Ein Präventionsprojekt gegen pädosexuelle Übergriffe an Jungen.

Die bunt funkelnde Lichterkette im Schaufenster der Neuköllner Ladenwohnung soll keine Weihnachtsstimmung verbreiten. Sie soll wachrütteln: „Jede Lampe = ein Junge“, steht auf einem Papierschild daneben. Auf einem weiteren Schild: „So viele Jungen missbraucht ein pädosexueller Täter im Durchschnitt, bevor er erkannt wird!“ Die Lichterkette hat 200 Lämpchen.

Das Präventionsprojekt „Berliner Jungs“ schult seit Mai in der Ladenwohnung Jugendliche, Angehörige, Pädagogen und Lehrer, damit sie Kinder über die Strategien pädosexueller Täter aufklären können und Verdächtige selbst erkennen. Betroffene Jungen können sich jeden Mittwoch zwischen 15 und 18 Uhr in der Leinestraße 49 von den Pädagogen beraten lassen. Ein Traumatherapeut bietet Hilfe für alle, die Opfer von sexuellen Übergriffen geworden sind. Doch die Arbeit an Ort und Stelle ist gefährdet – denn „Berliner Jungs“ kann das Geld für die Miete nicht mehr aufbringen.

Das Projekt setzt vor allem auf Prävention: „Unseren größten Erfolg sehen wir darin, wenn die Jungs sich selbst vor den sexuellen Übergriffen schützen können“, sagt Sozialpädagoge Marek Spitzcok von Brisinsky und sein Kollege Stefan Lehmann ergänzt: „Je früher die Jungen ’nein’ sagen, desto schneller sind sie die Pädosexuellen wieder los.“ Dafür sei es wichtig, dass die Jungen wissen, woran sie die Täter erkennen. Die Sozialarbeiter klären über die gängigsten Strategien der Pädosexuellen auf: „Die Männer gehen dahin, wo sich Jungen in ihrer Freizeit aufhalten – also Freibäder, Einkaufszentren, Internetcafés oder Spielplätze“, sagt Projektleiter Lutz Volkwein. Hier würden die Erwachsenen die Kinder unter einem Vorwand ansprechen und sie mit verschiedenen Tricks ködern. „Die Täter sind sehr kreativ.“ Zum Beispiel würden sich viele Pädosexuelle Wohnungen anmieten, in die sie die Jungen mit schneller DSL-Internetleitung, DVDs, Playstations, manchmal auch Alkohol und Zigaretten locken. Ist das Vertrauen aufgebaut, kommen „zufällige“ Berührungen hinzu, der einzelne Junge werde mit Drohungen daran gehindert, diese „gemeinsamen Geheimnisse“ auszuplaudern – bis irgendwann der sexuelle Übergriff erfolgt.

Gerade vernachlässigte Jungen ohne enge Vaterbindung sind nach Erfahrung der Pädagogen für die anfänglichen Zuwendungen anfällig. Es tappen viele in die Falle der Pädosexuellen: Jeder zwölfte Junge zwischen zehn und fünfzehn Jahren hat schon einmal sexuelle Gewalt erfahren, ergab eine Umfrage, die die „Berliner Jungs“ gemeinsam mit der Freien Universität Berlin durchführten.

Deswegen fährt das Mobil der „Berliner Jungs“ auch selbst zu den unter Jugendlichen beliebten Plätzen, um sie über die Anmachstrategien aufzuklären. Spielerisch üben sie mit Rollenspielen und Selbstverteidigungstraining ein, wie die Jungen Annäherungsversuche der Täter möglichst früh erkennen und sich lautstark gegen Übergriffe zur Wehr setzen können. Gemeinsam mit dem Landeskriminalamt schulte das Projekt auch alle Berliner Bademeister, damit diese die Täter frühzeitig erkennen. Außerdem bieten die „Berliner Jungs“ ganze Unterrichtstage an Schulen an (Telefon unter 23633983).

Spendenaktion Der Tagesspiegel e.V., Verwendungszweck: „Menschen helfen!“, Berliner Sparkasse, Kontonummer: 250030942, BLZ: 10050000, Onlinebanking ist möglich. Bitte notieren Sie Namen und Anschrift, Spendenbelege schicken wir dieses Jahr schneller zu. Im Internet: www.tagesspiegel.de/spendenaktion

Lu Yen Roloff

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