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Berlin: Den Teufel aushungern

Fasten lernen in der St. Canisius Gemeinde

Wie eine Kirche sieht das nicht aus. Der futuristische Bau der katholischen Gemeinde St. Canisius besteht aus zwei imposant nebeneinander platzierten Betonklötzen. Einer davon ist nur ein quadratischer Rahmen, durch den man die dahinterliegenden Häuser sehen kann. Im anderen befindet sich der Kirchenraum. Die Verbindung erscheint von weitem wie ein Bretterverschlag, in dem man die Eingangstür erahnt.

Drinnen geht es dagegen traditioneller zu. Zu sanften Orgelklängen singt die Gemeinde einem Vorbeter nach. Der Innenraum der Kirche ist rund angelegt, stilvoll puristisch in Weiß und Beige. Auf den mittig aufgestellten Stühlen sitzen vor allem ältere Kirchenbesucher.

Es ist der erste Sonntag in der Fastenzeit, die mit dem Aschermittwoch begonnen hat und an Ostern endet. 40 Tage lang soll sich der Mensch durch Verzicht neu auf Gott ausrichten. Der Text aus dem Lukasevangelium, der an diesem Sonntag gelesen wird, begründet diesen Zeitraum: Jesus hat 40 Tage lang in der Wüste gefastet und wurde dabei vom Teufel in Versuchung geführt.

Für den Jesuitenpater Klaus Mertes geht es in dem Text um die Sünde. Die definiert er in erster Linie nicht als menschlichen Fehler, sondern als Macht, die den Menschen verwirrt. Wer sündigt, hat die Orientierung verloren. Der Pater mit dem runden, freundlichen Gesicht predigt frei und enthusiastisch. Einen Spickzettel zu halten, würde ihn nur stören, die Hände braucht er, um seiner Botschaft mal mit geballten Fäusten, mal mit hektischen Gesten Nachdruck zu verleihen.

Der Teufel in der Wüste, das sei der „Verwirrer“, nichts anderes bedeute das griechische Wort „diabolos“. Der Teufel verdrehe die Dinge und stelle sie unter Verdacht: Gott, die Familie, die Freunde. „Das sind die Momente, in denen man lieber schlussfolgert, mir wird etwas missgönnt, etwas weggenommen. Anstatt zu fragen: Was fehlt mir und warum?“ Klaus Mertes lädt die Gemeinde ein, es Jesus gleichzutun und dem „Verwirrer“ kein Gehör zu schenken, sondern sich auf den Anfang zurückzubesinnen. Nämlich: „Dass Gott bedingungslos liebt.“

Zur Besinnung auf Gott sei der Mensch nicht nur in der Fastenzeit aufgerufen, doch die 40 Tage seien ein guter Zeitraum dafür. Eine Aufforderung, der die Gemeinde sogleich zu folgen scheint. Im Anschluss an die Predigt steht sie auf und betet das Glaubensbekenntnis.

Sandra Stalinski

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