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Berlin: Denkfabrik im kalten Palast

Renommierte Planer aus aller Welt sprachen am Wochenende über ihre städtebaulichen Visionen – und über die Zukunft der Ruine am Schloßplatz

Von Sabine Beikler

Fröstelnde Gestalten, viele mit Mützen, Handschuhen und Schals bekleidet, wärmten sich an heißen Teebechern. Nur wenige hatten das Glück, eine Wolldecke zu bekommen, um sich darin einzurollen. Im Palast der Republik herrschte am Wochenende Eiseskälte. Doch das schreckte die Besucher nicht ab, die zur zweitägigen Konferenz über die Zukunft des Gebäudes gekommen waren. Allein am Sonntag interessierten sich über 600 Zuhörer für die kurzen Statements zum Beispiel von Mark Wigley, New Yorker Architekturtheoretiker, vom spanischen Architekten Juan Herreros oder Phyllis Lambert, Direktorin des Kanadischen Architekturzentrums in Montreal. Nur einer saß anderthalb Stunden in der Kälte und trank mehrere Milchkaffees, ehe er mit seinem Vortrag über die Gestaltung öffentlicher Gebäude beginnen konnte: der niederländische Stararchitekt Rem Kohlhaas.

Kohlhaas, vielfach ausgezeichnet, lehrt an der Harvard University in Boston und hat unter anderem die Airport City im südkoreanischen Seoul, die Niederländische Botschaft in Berlin, das Kongresszentrum in Lille oder den Prada Tower in San Francisco entworfen. Er hat sich immer als Gegner eines Schloss-Wiederaufbaus anstelle des Palasts der Republik geäußert. „Die Schlossfrage wird einen natürlichen Tod sterben. Es fehlt am Geld“, sagte Kohlhaas dem Tagesspiegel. Das Zurückbringen von Geschichte wie der Wiederaufbau des Schlosses sei ein widersinniger Glaube, „aber sehr deutsch, was die Suche nach Symbolhaftigkeit“ betrifft. Die Frage, wie der Palast mittel- oder langfristig genutzt werden kann, müsse in einer öffentlichen Debatte aufgerollt werden.

Das wollen auch die vier Veranstalter des Kongresses „Fun Palace Berlin 200X“ vom Wochenende. Ob museale Nutzung oder als „Raum für freie Kunst“, wie Mitorganisator Stefan Rethfeld sagt, müsse weiter diskutiert werden. Nur der Staat allein dürfe nicht über die Nutzung des Palastes entscheiden. „Wir wollen gemeinsam klären, was hier gewünscht wird“, sagt Rethfeld.

Die Kongress-Initiatoren sind von einer Idee des 2003 verstorbenen britischen Architekten Cedrid Price ausgegangen: 1961 entwarf Price das „Fun Palace“, kein „Spaßpalast“, sondern ein visionäres Konzept für urbane Kommunikationsräume. „Fun Palace“ wurde aber nie gebaut. Price schlug damals vor, traditionelle Kulturinstitutionen wie Theater, Museen und Universitäten neu zu bestimmen und mit den Bedürfnissen des zeitgenössischen Großstädters zu kombinieren: Diese Orte sollen keine fertigen Objekte sein, sondern sich wandeln und auf neue Erfordernisse reagieren. So sieht der „Verein Zwischennutzung“ auch die Funktion des Palastes – ob als künftiges Kulturzentrum, als Bibliothek oder auch Museum.

Bisher haben über 40000 Besucher das „Volkspalast“-Projekt erlebt, das noch bis zum 9. November in der Ruine läuft. Kurz vor Ende der mit dem Bund vereinbarten Zwischennutzung soll das Innere des Hauses in gleißendes Scheinwerferlicht gehüllt werden, „verglühen – oder auch wiederauferstehen“, sagen die Mitglieder vom „Verein Zwischennutzung“, der sich darauf vorbereitet, auch im nächsten Jahr einen Teil des Programms zu gestalten. Neuer Generalmieter im Palast wird der Museumspädagogische Dienst (MD), der auch die Lange Nacht der Museen organisiert. Wie berichtet, gibt es in der Kulturverwaltung Überlegungen, ob die Macher des Volkspalastes künftig Untermieter des MD werden.

Bis zum geplanten Abriss der Ruine im Sommer 2005 soll der Palast kulturell weitergenutzt werden. Geplant ist unter anderem eine Ausstellung über die Geschichte des Gebäudes.

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