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Das Gebäude des ehemaligen Flughafens Tempelhof steht unter Denkmalschutz.

© dpa

Denkmalschutz in Berlin: Schwingt die Abrissbirne!

Denkmalschutz und die irrationale Ehrfurcht vor dem Alter verhindern, dass Berlin baulich weiterkommt. Unser Autor findet es lächerlich, dass um jeden Mauerrest gekämpft wird, als sei es ein Stück Troja. Doch damit die Stadt atmen kann, muss auch mal was weg.

Berlin hat jede Menge Platz, auch für Allgemeinplätze wie diesen: Häuser sind für Menschen da, nicht umgekehrt. Oder den: Alles hat seine Zeit. Dann reicht es aber auch. Diese Stadt soll schließlich kein Freiluftmuseum werden, sie muss lebendig bleiben, atmen können, sich entwickeln. Dafür muss auch mal was weg. Nicht, weil in Berlin sonst kein Platz für Neues wäre, nein. Es gibt ja noch reichlich Freiflächen. Aber auch das Denken der Stadt braucht Freiraum, Möglichkeiten, den offenen Horizont.

Schon sind wir auf dem Tempelhofer Feld. Der planerischen Freiheit stehen dort nicht nur die engstirnigen Gegner jeglicher Bebauung im Weg. Auch der Denkmalschutz verhindert zukunftsweisende Visionen, weil er das Flughafengebäude quasi zum unantastbaren Heiligtum macht. Ein Drittel des gigantischen Betonriegels, einst eines der größten Gebäude der Welt, steht seit 75 Jahren im Rohbau. Der Zweite Weltkrieg kam der Vollendung zuvor. Die Nazis waren die Letzten, die hier ehrgeizige Pläne hatten. Abgesehen von einer Modemesse einmal im Jahr, ein paar Filmdrehs und einer Handvoll exklusiver Partys steht das Gebäude leer und verfällt.

Wer das Tempelhofer Feld entwickeln will, kommt um das Flughafengebäude nicht herum

Gutachter beziffern den Instandsetzungsbedarf auf eine halbe Milliarde Euro. Natürlich fehlt dafür das Geld. Doch anstatt die großartigen Möglichkeiten des Gebäudes zu nutzen, wird am anderen Ende des Feldes eine neue Landesbibliothek geplant, Kosten nach derzeitigem Stand: 350 Millionen Euro, Tendenz nach oben offen. Was ließe sich für dieses Geld mit dem Flughafengebäude anstellen? Man könnte das Raumwunder für Architektenträume öffnen, eine Welt zum Abheben könnte hier entstehen, eine Wissenslandschaft mit lichtdurchfluteten Dächern und Fassaden, für Show, Sport, Erholung und Kultur wäre Platz – wenn Denkmalschützer und verzagte Politik die Fantasiefreiheit nicht hemmen würden.

Wer das Tempelhofer Feld entwickeln will, kommt um das Flughafengebäude nicht herum. Es ist das Portal in die Zukunft des ganzen Areals. Wer die kreativsten und mutigsten Planer der Welt für dieses Feld gewinnen will, der muss ihnen diesen Bau zum Hauptgang servieren. Wir können es uns nicht leisten, dieses gigantische Potenzial ungenutzt zu lassen. Aber wenn ihr nichts damit anzufangen wisst, dann reißt die Hütte ab! Seltsam, an anderer Stelle freut sich Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, wenn alte Bausubstanz mit neuen Ideen gefüllt wird. Wann immer sie Gäste durch die Stadt führe, zeige sie ihnen „auf jeden Fall das Neue Museum von David Chipperfield, weil hier so beeindruckend Geschichte und Gegenwart zusammengebracht wird“, verriet sie in der „B.Z.“.

Ein bisschen Jugendstil, ein bisschen Bauhaus und viel Diktatur

Wo sonst ist von solchem visionären Mut etwas zu sehen? Berlin bildet sich auf seine Geschichte mehr ein, als es davon hat. Dabei ist das Wenige, was nach dem Krieg und dem Umbau zur autogerechten Stadt übrig geblieben ist, größtenteils billiges Kopistenwerk aus dem 19. Jahrhundert, im kaiserlichen Gründerfieber eilig aus dem Stilbaukasten zusammengemörtelt. Dazu ein bisschen Jugendstil, ein bisschen Bauhaus und viel Diktatur. Gott sei Dank ist kein „Germania“ dabei, nicht auszudenken, was Denkmalschützer verteidigen müssten, wenn Hitler und Speer ihre Pläne für die Welthauptstadt verwirklicht hätten. Stattdessen werden DDR-Schrottimmobilien am Alexanderplatz unter Denkmalschutz gestellt, statt ihrer drohenden Würdigung als Weltkulturerbe vorzubeugen und das Quartier zum Abriss freizugeben.

Es lebe die Restauration!

Es kann nur besser werden. Und als museales Anschauungsmaterial reichen doch die Prachtbauten der Arbeiter- und Bauernherrlichkeit an der ehemaligen Stalinallee. Versteht mich nicht falsch. Ich habe nichts gegen den Denkmalschutz. Es lebe die Restauration! Baut euch ein Schloss! Aber dass ausgerechnet in einer Stadt, deren historischer Atem im Vergleich zu anderen Metropolen höchstens für eine Kurzgeschichte reicht, um jede Gaslaterne, jeden Mauerrest gekämpft wird, als sei es ein Stück Troja, ist lächerlich. Wir müssen lernen loszulassen. Schafft Platz für die Zukunft. Schwingt die Abrissbirne. Das befreit – auch die Köpfe.

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