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Berlin: Der 1. Mai beginnt schon im April

Nach den Hausbesetzungen über die Osterfeiertage befürchtet die Polizei drei aktionsreiche Wochen

Am Ende ihrer „Aktionswoche“ waren die Hausbesetzer fast ein bisschen beleidigt. „Für Innensenator Körting sind wir ein polizeiliches Problem und kein politisches“, bedauerte ein Sprecher der Gruppe „Autoorganisation“. Und er meinte: „Wir wollen die politische Diskussion wieder eröffnen und das Thema Hausbesetzungen wieder in die Öffentlichkeit bringen.“ Doch Innensenator Erhart Körting (SPD) wollte sich gestern auf keine Diskussion einlassen. Er ließ ausrichten, dass an der „Berliner Linie“ knallhart festgehalten werde. Berliner Linie heißt: Hausbesetzungen werden kurzfristig unterbunden, und zwar von der Polizei. Die Besetzer haben Innensenator Körting und den PDS-Landes- und Fraktionsvorsitzenden Stefan Liebich zu einer Podiumsdiskussion zu diesem Thema in zwei Wochen eingeladen.

Von Gründonnerstag bis Ostersonntag waren in Berlin, überwiegend in Friedrichshain, sechs Häuser besetzt worden, alle wurden wenige Minuten oder Stunden später wieder von der Polizei geräumt. Eingesetzt war jeweils mindestens eine Hundertschaft der Polizei. „Angesichts dieses Polizeiaufgebots waren die Häuser natürlich nicht zu halten“, hieß es bei der „Autoorganisation“.

Nach Angaben der Veranstalter haben 1000 Menschen an dem „Kongress“ teilgenommen, für die Polizei gab es außer einer Vielzahl von Überstunden keine großen Probleme. Allerdings sei man schon überrascht gewesen über den „massiven Widerstand“ bei der Räumung des Hauses Corinthstraße 57, hieß es im Polizeipräsidium. 31 Personer wurden überprüft, 14 über Nacht in Gewahrsam genommen. Auch die Anschläge in den vergangenen Tagen auf das Kulturkaufhaus Dussmann und eine Deutsche-Bank-Filiale in Prenzlauer Berg werden im Vorfeld des 1. Mai als Indiz einer höheren Gewaltbereitschaft gewertet.

Die Polizeiführung fürchtet, dass dieser Protest in den kommenden drei Wochen anhält. Wie berichtet, sind unter dem Motto „Mai-Steine“ diverse Aktionen angekündigt. Spätestens am 30. April wird in Berlin wieder der Ausnahmezustand erwartet – in diesem Jahr nicht nur wegen des traditionellen Krawallauftakts im Mauerpark in der Walpurgisnacht. Denn an diesem Abend wird es im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt den Festakt zur Ost-Erweiterung der Europäischen Union geben, zu dem auch EU-Kommissionspräsident Romano Prodi erwartet wird.

Linksradikale Gruppen wie „Kritik & Praxis“ (KP) haben dazu eine Demonstration unter dem Motto „Kommunismus statt Europa“ angemeldet, diese soll um 18 Uhr am Bahnhof Friedrichstraße beginnen. Die Versammlungsbehörde der Polizei dürfte die angemeldete Route ebenso wenig genehmigen wie einen Tag später die „Revolutionäre 1.-Mai-Demo“ um 16 Uhr. Diese soll am Potsdamer Platz beginnen und am Außenministerium und dem Haus der Wirtschaft vorbei in Richtung Kreuzberg führen. Auch in den Vorjahren waren Aufzüge in Einkaufsstraßen in Mitte wie der Friedrichstraße wegen des befürchteten Glasbruchs nicht genehmigt worden. Neu ist , dass sich die linksradikale Szene erstmals seit Jahren auf einen gemeinsamen Demonstrationszug geeinigt hat.

Bislang hatte es in der Regel drei Aufzüge der untereinander zerstrittenen Splittergruppen gegeben. In diesem Jahr dürfte die Zahl der im Rahmen der Mai-Demonstrationen eingesetzten Polizisten wegen der EU-Feier über der Vorjahresmarke von 7500 liegen. Wie im Vorjahr will die Polizei „mit ausgestreckter Hand“ präsent sein, die Deeskalations-Einheit „Aha“ in ihren gelben Westen und den schwarzen Basecaps soll Störenfriede ansprechen und beruhigen.

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