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Schwarz gegen Rot. Die SPD-Landeszentrale war Ziel eines linksextremistischen Anschlags. Die Spuren waren auch tagsüber noch zu sehen. Foto: dpa/Maurizio Gambarini

© dpa

Berlin: Der 1. Mai war nicht genug

Linksextremisten werfen Steine und Farbbeutel gegen die SPD-Landeszentrale und mehrere Jobcenter. Verletzte gab es bei den nächtlichen Anschlägen nicht. Der Schaden beträgt hunderttausende Euro.

Kaum 24 Stunden nach dem Anschlag auf die Bahn haben Linksextremisten in der Nacht zu Freitag sechs Jobcenter, die SPD-Landeszentrale und mehrere Bürogebäude angegriffen. Der Schaden dürfte mindestens sechsstellig sein, hieß es. Allein in der Arbeitsagentur Alarichstraße in Tempelhof warfen die Täter 80 Fensterscheiben ein. An anderen Standorten gingen zahlreiche weitere Scheiben zu Bruch, flogen Farbbomben oder wurden Parolen geschmiert. In der Storkower Straße in Prenzlauer Berg versuchten die Täter, Feuer im Eingang zu legen. Die Flammen erloschen jedoch schnell.

In einigen Fällen beobachteten Anwohner vermummte Personen, die auf Fahrrädern flüchteten. In der Charlottenburger Königin-Elisabeth-Straße konnten Passanten bis zum Eintreffen der Polizei eine junge Frau festhalten, die Steine geworfen hatte. Die Frau hatte sich nach Polizeiangaben zuvor eines Stoffbeutels entledigt, in dem sich etliche Pflastersteine befanden. Den beiden Komplizen der Frau gelang die Flucht.

Das Haus der SPD-Landesgeschäftsstelle in der Weddinger Müllerstraße wurde ebenfalls von zahlreichen Steinen getroffen, mehrere Fensterscheiben zerbrachen. Die Polizei spricht von vier vermummten Tätern, die auch hier die Fassade besprühten.

Ein Bürohaus in der Kreuzberger Axel-Springer-Straße, in dem mehrere Botschaften und der deutsche Callcenter-Verband sitzen, wurde mit schwarzer Farbe beschmiert. Am Abend des 1. Mai zog hier die „Revolutionäre 1.-Mai- Demo“ vorbei. An einigen Tatorten wurden eindeutige Parolen hinterlassen, so am Amtsgericht Mitte in der Littenstraße „Zwangsräumungen töten“.

In allen Fällen geschahen die Taten nach Mitternacht, wurden aber zum Teil erst mit Verzögerung entdeckt. Unklar ist, ob eine Tätergruppe mehrere Anschläge verübt hat. Die Tatorte liegen zwischen Reinickendorf und Johannisthal in weit auseinanderliegenden Bezirken. Der für politische Delikte zuständige Polizeiliche Staatsschutz beim Landeskriminalamt hat die Ermittlungen übernommen.

Auf einer linken Internetseite erschien am Freitag ein mehrseitiges Schreiben, in dem die Verfasser die nächtlichen Taten zugaben. Zu den Motiven hieß es, dass „Jobcenter und Arbeitsämter zentrale Institutionen zur Durchsetzung des Zwanges zur Arbeit“ seien und zudem „verantwortlich für die meisten der in nächster Zeit drohenden Zwangsräumungen“. Die SPD sei attackiert worden als Verantwortliche für die „Hartz-IV-Scheiße“.

Uwe Mählmann, der Sprecher der Berliner Arbeitsagenturen, konnte am Freitag noch keine Schadenshöhe nennen. In der Alarichstraße habe man sich entschlossen, trotz zerstörter Scheiben die Kunden zu empfangen. „Wir haben nur die Glasscherben beseitigt“, sagte Mählmann. „In dieser Größenordnung hat es noch keine Anschlagsserie gegeben.“

Innensenator Frank Henkel (CDU) verurteilte die „feigen Anschläge auf das Schärfste“. „Wer versucht, Demokraten einzuschüchtern, der wird auf unseren entschiedenen Widerstand treffen“, teilte Henkel mit. Den Anschlag auf die Bahn in der Nacht zu Donnerstag bewertete der Senator so: „Es geht offenbar darum, ein Klima der Angst und Verunsicherung zu schaffen.“ Zehntausende Berliner waren am Donnerstag ab 3 Uhr früh von der ganztägigen Sperrung von S-Bahn und Regionalbahn betroffen. Nach Angaben eines Sprechers rollte die S-Bahn ab 20 Uhr wieder, die Regionalbahn ab 21 Uhr.

Dem SPD-Landesvorsitzenden Jan Stöß übermittelte Henkel telefonisch seine Solidarität. Das Weddinger SPD- Haus ist in den vergangenen Jahren mehrfach von Linksextremisten attackiert worden, ebenso das  Arbeitsamt auf der anderen Seite der Müllerstraße. Ursprünglich sollte in der Walpurgisnacht die Demo der linken Szene an den Gebäuden vorbeiführen, die Polizei hatte dies nach Angaben der Organisatoren jedoch untersagt. Vorsorglich postierte die Polizei Wasserwerfer und Räumfahrzeuge vor den Gebäuden, weil nicht auszuschließen war, dass der Protestzug sich doch hierher bewegen könnte. Wie berichtet, verlief der 1. Mai weitgehend friedlich. Allerdings zerschlugen Militante in der Nacht zum 2. Mai die Schaufenster von mehreren Geschäften und einer Bank in der Neuköllner Karl-Marx-Straße.

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