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Berlin: Der Adlige mit den vielen Leben

Widerständler, Politiker, Autor: Erinnerung an Hubertus Prinz zu Löwenstein

Der rote Prinz im roten Rathaus? Ein bisschen durch die Finger sehen muss man schon, wenn man die Absicht von Staatssekretär André Schmitz, an eine bedeutende historische Gestalt zu erinnern, auf diese flotte Formel bringt. Den roten Prinz nämlich hat Goebbels erfunden, als Kampfbegriff gegen Hubertus Prinz zu Löwenstein, der eher ein Nationalliberaler war, und die Farbe des Rathauses hat mit der Politik ohnedies nichts zu tun. Aber ins Rathaus gehört die Erinnerung an diesen Mann, der im Oktober hundert Jahre alt geworden wäre. Denn er ist ein seltenes Beispiel für Zivilcourage und politisches Engagement.

Aber wer war dieser Prinz? Am Donnerstagabend konnte man erleben, wie eine Tochter, Konstanze Prinzessin Löwenstein, Sozialforscherin im Wissenschaftszentrum, ihren Vater und sein abenteuerliches Leben vergegenwärtigte. Der Spross eines hochadligen Geschlechts schlug sich in den bewegten zwanziger Jahren auf die Seite der Republik. Der junge Jurist schrieb für die großen Berliner Zeitungen, gehörte der Zentrumspartei an und war Jugendführer im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Ein charismatischer Intellektueller, so beschreibt ihn die Tochter, Nickelbrille, faszinierender Redner, immer in Auseinandersetzung begriffen: „Die Waffe meines Vaters war der Geist.“

1933 zur Emigration gezwungen, kämpfte Löwenstein weiter: erst im Spanischen Bürgerkrieg auf der Seite der Republikaner, dann in Amerika als Gründer der Deutschen Akademie im Exil – halb Forum des „anderen Deutschlands“, halb Hilfsorganisation. Die Creme de la Creme der Emigration gehörte dazu: Thomas Mann und Sigmund Freud, Bertolt Brecht und Bruno Walther, Alfred Döblin und Paul Hindemith. „Der vergessene Widerstand“ hieß der Untertitel der Akademie-Geschichte, die Volkmar Zühlsdorf schrieb, sein vor kurzem erst verstorbener Kampfgefährte. Löwenstein blieb aktiv, auch in Nachkriegsdeutschland. Er setzte sich ein, um den Engländern Helgoland zu entreißen, exponierte sich für die Rückkehr des Saarlandes, tauchte während der 56er Revolution in Budapest auf, war Bundestagsabgeordneter: ein unabhängiger Geist, ein entschiedener Patriot, nicht selten eine Herausforderung für den Zeitgeist.

„Wie viele Leben in einem Leben!“ lautete Schmitz’ bewunderndes Fazit über diesen „Politiker ohne Amt“ am Beginn dieser Geschichtsstunde im Festsaal. Im Publikum saß sogar ein letzter Stipendiat der Akademie, der aus Düsseldorf angereiste 99-jährige Historiker Helmuth Hirsch. Übrigens war es wohl der letzte der Abende, mit denen der bisherige Chef der Senatskanzlei dem Rathaus so etwas wie kulturellen Glanz zu geben versuchte. Stand ihm gut, dem Rathaus.Rdh.

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