zum Hauptinhalt

Berlin: Der alte Riesenbarsch hat neue Gefährten im umgebauten Aquarium bekommen

Da wird selbst Hartmut unruhig. Üblicherweise hockt der Gemütsfisch mit den Glubschaugen irgendwo tief im Fels.

Da wird selbst Hartmut unruhig. Üblicherweise hockt der Gemütsfisch mit den Glubschaugen irgendwo tief im Fels. Aber wenn sechs Haie auf einmal in die tierische WG ziehen, setzt sich selbst ein 92-Kilo-Zackenbarsch neugierig in Bewegung. Die neuen Mitbewohner - je drei Ammen- und Schwarzspitzenhaie - beendeten ihre Odyssee von den Philippinen über Rotterdam am gestrigen Mittwoch nun im umgebauten Aquarium am Zoologischen Garten.

"Haie? So was wollen die Leute sehen", sagt Tierpfleger Marco Hasselmann. "Die Tiere braucht man einfach", bestätigt Jürgen Lange, Aquarium-Chef. Und da die Besucherzahlen bei knapp einer Million im Jahr stagnieren und man die Becken hinten rechts ohnehin sanieren musste, wurde daraus eben ein Drei-Millionen-Umbauprojekt. Bis auf 500 000 Mark Eigenkapital kamen die Gelder von der Lotto-Stiftung. Wie es der Zufall wollte, hatte Jürgen Lange den Aquaristik-Experten David Man Warren aus Los Angeles bei der Expo in Lissabon kennen gelernt - und so waren während der Bauphase auch Experten aus den USA am Werk. "Warren konstruiert gerade für Kuwait und Shanghai, der hätte sich sicher nicht mit einer Klitsche wie uns abgegeben", stellt Lange sein Licht unter den Scheffel. Bevor die 140 000 Liter fassende, 138 Tonnen schwere und damit dreieinhalbfach vergrößerte Hai-Heimat und das Landschaftsbecken nebenan entstehen konnten, mussten die Fischfreunde eine Sonderzulassung für die sieben Meter lange Acrylscheibe bei der Bauverwaltung beantragen - und in Katalogen blättern.

Wie wäre es mit dieser Koralle aus Latex? Oder jenen Fangarmen aus Kunststoff? Vielleicht leiber das Felsenmodell, in dem hineingeknüllte Alufolie spätere Löcher formt? Was dem Besucher nämlich so farbenfroh entgegenleuchtet, hat mit der wirklichen Welt im Wasser fast genau so wenig zu tun wie Haie in Gefangenschaft mit dem wilden Dasein ihrer Artgenossen. Dass es sich bei der Rifflandschaft nur um ein Plagiat handelt, hat seinen Grund. "Raubbau an der Natur betreiben wir seit den Siebzigern nicht mehr", sagt Lange. Fische in einer lebenden Unterwasserwelt, das funktioniere nicht: "Wenn Sie Medikamente für die Fische hineingeben, ist das für die Korallen tödlich."

Auch die etwa fünf Jahre alten Knorpelfische mit dem typischen Dreizack am Rücken haben für den Transport in einer Kiste von Rotterdam nach Berlin Beruhigungsmittel bekommen. Davon merkt man aber nicht viel. Erst werden sie in eine weiße Kiste und dann in Becken mit unterschiedlichen Salzkonzentrationen umgesetzt, "sonst schrumpfen oder platzen ihre Körperzellen". Der fleischfarbene "Nurse-Shark", der sich sonst am liebsten auf dem Grund aufhält, wehrt sich nicht minder als sein Schwarzspitzen-Artgenosse mit dem charakteristisch lauendern Jäger-Schwimmstil. Ganz schön kräftige Kaliber! Pro zehn Zentimeter Körperlänge übrigens rund 1000 Mark wert. Da möchte man nicht in der Haut von Christian Heller stecken. Der Revierleiter ist im Tauchanzug ins Becken gestiegen, um die ersten Runden der Neulinge zu überwachen. Die Haie könnten noch orientierungslos gegen die Scheibe schießen oder sich mit Barsch Hartmut, Barrakudas, Moränen und Fledermausfischen anlegen. Oder umgekehrt. Doch während der ersten gemeinsame Schwimmstunde "haben die sich nicht in die Wolle gekriegt", meint der, der mit den Haien schwimmt. Lange zufolge passieren jedes Jahr weltweit etwa 25 tödliche Haiunfälle. Die Exemplare aus den Philippinen werden in der Natur nur kleineren Fischen gefährlich. In Berlin steht magere Kost wie tote Dorsche oder Tintenfische auf dem Speiseplan. Die Aasfresser gelten als Gesundheitspolizei des Meeres, und "Surfer greifen sie nur deswegen an, weil sie sie für kranke Robben halten".

So werden die Neuzugänge im 26 Grad warmen, mit 67 Ingredienzen wie Salzen für die Fischgesundheit versetzten Wasser den 10 000 Tieren im Aquarium, darunter auch andere Haie, wohl künftig den Rang ablaufen. Morgen kann man sie und den US-Experten David Man Warren von 11 bis 18 Uhr, am Wochenende sogar von 9 bis 21 Uhr unter anderem Wobbegongs, blassblütige Vriesea, Krokodile - und Hartmut besuchen.

Annette Kögel

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false