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Berlin: Der andere Dreh: Ein Fest für Handyfilme

Kunst statt „Happy Slapping“: Profis helfen Schülern beim Produzieren Schauspieler Oktay Özdemir („Wut“) lud zum Workshop ein

Als die Anfrage zum Handyfilmfestival kam, dachte Oktay Özdemir erst, er solle da selbst schauspielern. Aber dann war schnell klar: Diesmal war er nicht als Mime gefragt, sondern als Insider, als Workshop-Dozent und als Vorbild für Jugendliche. „Klar mache ich da mit, ich engagiere mich gern sozial. Ist doch eine geile Idee, dass sich Jugendliche über Filme mit dem Handy, das die meisten ja ohnehin haben, selbst ausdrücken können. Eigentlich ein Ding, dass da niemand früher drauf gekommen ist.“ Der 19-jährige, türkischstämmige Darsteller aus den Filmen „Knallhart“ und „Wut“ gehört zur Jury des ersten Berliner Handyfilmfestivals, dass seit August und noch bis Dezember in Berlin stattfindet.

Mitmachen kann jeder zwischen 14 und 21 Jahren, vorausgesetzt, die Jugendlichen haben an einem der Workshops teilgenommen, sagt Projektleiterin und Medienkünstlerin Stefie Steden. Bei den Workshops gehen engagierte Künstler, Fotografen, Filmleute in Schulen und Jugendzentren in Wedding, Kreuzberg und Schöneberg und helfen den Jungfilmern bespielsweise am Schnitt-Laptop. So soll die Begeisterung geweckt werden für anderes als „Happy Slapping“, dem Filmen von Straftaten oder Hänseleien.

Das Filmfestival wird mit EU- und Landesgeldern finanziert und läuft etwa in Kooperation mit dem Quartiersmanagement, sagt Claudia Hartmann vom koordinierenden Verein „Kulturgymnastik e.V.“ Es sei schwierig gewesen, Lehrer zum Mitmachen zu gewinnen, sagt Stefie Steden. Aber die Jugendlichen selbst seien mit Feuer und Flamme dabei: So wie ältere Türken die Gebetskette durch die Hände gleiten lassen, so spielen die Jugendlichen heute mit dem Handy.

„Ich finde es gut, dass das nicht so lasch ist, sondern das die Leute sich wirklich intensiv mit dem Thema Film befassen. Und natürlich auch, dass es Handys zu gewinnen gibt“, sagt Oktay Özdemir – die Firma O2 ist Sponsor. Deswegen hat der 19-jährige Kreuzberger auch Plakate in einem Imbiss verteilt, dessen Besitzer er kennt, und ihm gesagt: Wenn euch langweilig ist, ihr könnt doch hier drehen“.

Gestern schaute er den Schülern im Kunstkurs von Lehrer Klaus Decker am Hermann-Hesse-Gymnasium an der Kreuzberger Böckhstraße über die Schulter. Die ließen die Mini-Filme, die nicht länger als drei Minuten umfassen dürfen, auf den Laptops laufen und übten sich im Schnitt.

Die 17-jährige Julia Wohlfahrt hatte sich mit Kursleiterin Övgü Özen vorm Bildschirm vertieft. Das Thema ihres Films: Schule. Die Idee: Ein Traum. Eine Mitschülerin schläft im Unterricht ein, sieht lauter schöne Dinge vor Augen – und wird unsanft geweckt: Man erkennt unsaubere Schulräume, und langweiligen Unterricht, der soll ja vorkommen an Berlins Schulen.

Das im Rahmenplan vorgegebene Thema neue Medien wird durchs Handyfilmfestival an der Hesse-Schule praxisnah behandelt. Ebenso wie an den vier anderen Projektschulen. Das freut die Schüler – und Lehrer Klaus Decker. Oktay Özdemir hält sich in der Stunde bescheiden im Hintergrund, gibt aber Jungfilmer Erkan Türkan gern Tipps zu seiner Comedy, als der wissen will, wie er seinen Computer-Pacman am besten den Lehrer fressen lassen kann.

Schülerin Lene Kreisel, 18, erkennt den Jungstar-Schauspieler wie viele an der Schule erst auf den zweiten Blick. Der türkischstämmige Kreuzberger ist in der Rolle des aggressiven Gangster-Migranten bekannt geworden, er überzeugte Publikum und Kritik im Neukölln-Streifen „Knallhart“ als brutaler Anführer Erol. Am Freitagabend war er im ARD-Spielfilm „Wut“ zu sehen, wo er erneut einen Klischee-Türken aus dem Großstadt- Ghetto verkörpert, der eine deutsche Familie bedroht. Oktay Özdemir wollte sich den Film gestern mit seiner Frau zu Hause anschauen. „Eigentlich könnte ich da auch selbst mit dem Handy filmen, wie ich meinem Sohn die Windeln wechsele“, sagt Oktay verschmitzt. Der Kleine ist fast zwei. Für seine eigene Zukunft wünscht sich Özdemir, „dass ich nicht nur immer Bösewichter spiele. Sondern auch mal einen Lehrer. Oder einen Schwulen.“

Erstes Berliner Handyfilmfest: Wer mitmachen will, muss Workshops in Jugendzentren oder das Online-Seminar im Internet belegen. Ausstellung, Siegerehrung und Party in der Kreuzberger Naunynritze. Im Internet: www.handyfilmfest.de

Annette Kögel

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