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Lorenz Maroldt, Chefredakteur des Tagesspiegels, Autor des Checkpoints.

© Andreas Labes

Der Checkpoint-Jahresrückblick: Es war nicht alles schlecht

2016 war ein Jahr zum Vergessen? Quatsch! Der Rückblick auf unseren Berlin-Newsletter Checkpoint zeigt: Die beste Stadt der Welt glänzte mit lauter guten Nachrichten.

Den Leuten die Tür eintreten, ehe sie die Augen aufmachen, mit einer morgendlichen Mail über eine Wahnsinnsstadt: Das will der Checkpoint, unser Berlin-Newsletter. Und dafür wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Grimme Online Award, dem wichtigsten Preis für deutsche Netzmedien. Kostenlos abonnieren unter checkpoint.tagesspiegel.de.

Januar
4.1.: Heute wird Berlins berühmtestes Silvesterbaby vorgestellt – es hat Schlappohren und Riesennase, aber noch keinen Namen (und ob’s ein Junge, ein Mädchen, Trans oder Inter ist, steht auch noch nicht fest). Mama Kewa und Papa Ankhor freuen sich dennoch über Vorschläge, abzugeben im Tierpark, Elefantengehege.

5.1.: Breaking News von der Ahnenforschung: Sissy (nein, nicht Romy Schneider – die echte!) hat einen Ururenkel in Hermsdorf. Puh… wir sind ja wohl voll der Promi-Hotspot geworden – früher gab’s doch so was nur in München!

12.1.: „Berlin ist, wenn es eine Nachricht wert ist, dass Verwaltungen ihre Rechnungen bezahlen“, twittert der Abgeordnete Martin Delius – bitte sehr: „Das Lageso begleicht 75 Millionen Euro Schulden.“ Geht doch.

19.1.: Klingt doch mal gut: Bei etlichen Linien will die BVG „den Takt verdichten“ – vielleicht wird ja dann aus dem verschleppten 3/4-Geschaukel zumindest ein zügiger Beat.

20.1.: Jetzt müssen wir ganz stark sein: Zum ersten Mal überhaupt ist Berlin beim GfK-Ranking der beliebtesten Metropolen der Welt in die Top 10 gehüpft - und woran lag’s (u.a.)? An der „Freundlichkeit der Bevölkerung“. Hilfe – womit haben wir das bloß verdient! P. S.: Die „klimatischen Gegebenheiten“ haben auch eine Rolle gespielt – die Studie muss wohl schon ein bisschen älter sein.

21.1.: Die „Zeit“ hat Moritz von Uslar für einen Bericht in die „prolligste Stadt Deutschlands“ geschickt – und nein, es geht nicht um Berlin. Sondern Köln.

29.1.: Falls Sie mal von Sheffield nach Hutton (Essex) müssen – am billigsten geht’s über Berlin: Per Zug kostet die Fahrt inklusive Schinken-Käse-Toast und Bus zum Bahnhof 51,79 Pfund, per Flug via SXF inklusive Currywurst vorm Brandenburger Tor und Flughafenbus nur 44,07 Pfund (Umweg: 1636 km). Wie das geht und ob’s geschmeckt hat, beschreibt Jordon Cox aka The Coupon Kid im Blog moneysavingexpert.com.

Februar
1.2.: Berlin hat den Karnevalsumzug am Sonntag – den ersten seit drei Jahren – ohne größere Schäden hinter sich gebracht. Erwähnenswert, weil von den Wagen Schokoriegel gleich in der Familienpackung geworfen wurden. Aber wer Karneval feiert, weiß ja (zumindest anfangs), worauf er sich einlässt.

3.2.: Vier Polizist(inn)en sind in der Nacht in den Neuköllner Schifffahrtskanal gesprungen, als sie einen Mann untergehen sahen. Mit Feuerwehrleuten retteten sie den 69-Jährigen, ließen sich kurz im Krankenhaus behandeln und machten – nein, nicht Feierabend, sondern weiter. Die Polizeimeldungen lassen regelmäßig vermuten, dass es dort mehr tolle Hechte gibt als im Wannsee. Respekt!

12.2.: Gute Nachricht für pensionierte Grundschullehrer: Ab sofort müssen Sie nicht mehr tagsüber mit Ihrem Dosenbier vorm Einkaufscenter abhängen – Sie können zurück an die Arbeit! Bildungssenatorin Scheeres möchte mit Ihnen gerne „noch für ein oder zwei Jahre“ ein paar hundert Lücken stopfen. Aber gehen Sie am besten vorher noch mal aufs Klo – die Dinger sind leider immer noch nicht überall repariert.

17.2.: In keiner anderen Stadt wächst die private digitale Wirtschaft so schnell wie in Berlin – die Investitionsbank rechnet hier mit 270.000 zusätzlichen Jobs bis zum Jahr 2030. Der Senat ist ganz elektrisiert und startet eine millionenschwere „Offensive“ – klar, dass für die eigenen Computer da nicht mehr viel übrig bleibt.

19.2.: Auf einem Kreis liegen die Punkte A, B, C und D, in dieser Reihenfolge. Die Sehnen AC und BD schneiden sich im Punkt P, die Senkrechten auf AC im Punkt C bzw. auf BD im Punkt D schneiden sich im Punkt Q. Beweisen Sie, dass die Geraden AB und PQ senkrecht aufeinander stehen. Na? Wie sieht’s aus? Fünf Minuten haben Sie noch… Okay, lassen wir das, oder besser: Überlassen wir das dem 17-jährigen Branko Juran aus Pankow – der ist nämlich gerade mit der Lösung einer solchen Aufgabe Sieger im Bundeswettbewerb Mathematik geworden. Da soll noch mal einer sagen, dass wir hier in Berlin nicht rechnen können!

29.2.: Zum Schluss noch etwas aus der Reihe „Hauptstadt der Erfinder“: Der Berliner Julian Lechner hat eine Kaffeetasse entwickelt, die aus Kaffeesatzhergestellt wird. Daraus lässt sich was machen – vielleicht ein Flughafen, der aus Flughafensatz gemacht wird?

März
9.3.: Berlin ist Deutschlands wärmstes Bundesland. 10,8 Grad maß der Wetterdienst im Schnitt des vergangenen Jahres und spricht von „erlebtem Klimawandel“. Schön, dass wir das noch erleben dürfen.

16.3.: Liebe Leserinnen und Leser – hier kommt eine Sensation: Der BER ist eröffnet! Jedenfalls im Geografiebuch Seydlitz Klasse 9/10 (Druck 2015) – auf Seite 128 steht unter der Überschrift „Verkehrsknoten Berlin“: „Auch in das Straßennetz und das Flughafensystem flossen hohe Investitionen. Der rund 3 Milliarden Euro teure Flughafen Berlin Brandenburg BER bei Schönefeld ist seit 2012 einziger Flughafen der Region.“

24.3.: Im Flüchtlingslager Tempelhof sind wieder 600 Plätze frei, was die zeitweise fürchterliche Lage dort etwas entspannt: Von den seit Herbst in den Hangars untergebrachten Menschen konnten viele endlich in bessere Quartiere ziehen, und der Strom der Neuankömmlinge ist dünn geworden. Der Ausbau des Flughafengebäudes zum zentralen Aufnahmezentrum soll aber weitergehen – auch, um die zur Registrierungsstelle umfunktionierten Sporthallen an der Glockenturmstraße freizubekommen.

30.3.: Gestern spannte sich ein Regenbogen über Berlin (vielleicht ja ein Gruß an unser Onlineprojekt Queerspiegel) – so breit und bunt, dass man drüber hinweg von Ost nach West schlittern wollte. Fotos des furiosen Filzstifthimmelsspektrums ergossen sich wie ein warmer Frühlingsschauer in die sozialen Netzwerke. Und die Radiokollegen von Flux FM versprachen ganz geblendet: „Bilder vom Einhorn gibt’s morgen.“

April
13.4.: „Berlins Lehrer werden immer jünger“, teilt die Bildungsverwaltung mit (immer!) – 2012 waren sie noch 50,2 Jahre alt, 2016 nur noch 47,8. Wenn das so weitergeht, müssen im Jahr 2073 die Pädagogen zum Unterricht ihre Erziehungsberechtigten mitbringen.

18.4.: Die Menschen in Palermo bewerten ihre Verwaltung noch schlechter als die in Berlin (offizielle EU-Umfrage, 40 000 Teilnehmer). Das reicht für Berlin für Platz 74 (von 79) und zum Titel „Beste Berliner Verwaltung Europas“ – wir gratulieren.

25.4.: Hier etwas Neues aus der Rubrik „+++Eil+++Breaking News+++“ (von nahezu allen Zeitungen prominent vermeldet): „Tom Hanks erwägt Wohnungskauf in Berlin“ – tatsächlich, er erwägt es! Wow, wir sind wieder wer.

Mai
2.5.: Lieder schmettern kann jeder, Bälle schmettern können am besten die BR Volleys. Berlins Netzhüpfer sind (nach einem Sieg über Friedrichshafen) nun auch deutscher Meister und haben damit alle drei möglichen Pokale der Saison nach Berlin geholt. Nach dieser Party kann man die Spieler heute an ihrem Gang erkennen: Triple-Schritte.

17.5.: Sensationelles Umzugstempo der legendären „Hafenbar“ (Berlins ältester Club, est. 1967): Kaum hatte der letzte Gast das Haus in der Chausseestraße (ist verkauft und wird abgerissen) am Sonntag um 5.24 verlassen, wurden Bullaugen, Fischernetze und Holzvertäfelung abgebaut und an den neuen Standort Karl-Liebknecht-Straße 11 gebracht – dort geht’s schon am 3. Juni weiter.

18.5.: Hurra, wir sind jetzt auch Welthauptstadt der „Meetingbranche“ – das Convention Office von visitBerlin teilt mit: „Berlin liegt bei der Ausrichtung internationaler Verbandskongresse auf Platz 1“ - und das zum ersten Mal, mit 195 Veranstaltungen vor Paris (186) und Barcelona (180).

23.5.: Ihnen gehen die vielen Touristen auf die Nerven? Dann empfehle ich zur Beruhigung eine Portion Relativismus (rezeptfrei per Mail): In der Kategorie „ÜpE“ (Übernachtung pro Einwohner) liegt Berlin im Vergleich von 250 deutschen Städten gerade mal auf Platz 122 (8,7 ÜpE). Spitzenreiter ist Norddorf (625,2), gefolgt von Ewiger-Eller (486,2) und Langeoog (425,4).

25.5.: Im Wettbewerb um den Titel „Deutschlands peinlichste Baustelle“ sah es so aus, als hätten wir mit unserem BER die Hamburger mit ihrer Elbphilharmonie nach langem Kopf-an-Kopf- Schleichen abgehängt – das Ding scheint tatsächlich fast fertig zu sein und soll am 11. Januar eröffnet werden (angeblich sogar 2017). Doch jetzt enthüllte Kollege Mark Spörrle von der „Zeit“ in seiner „Elbvertiefung“ erschütternde Details über die Verkehrsanbindung des Schmuckstücks: Mit dem Auto geht’s nicht, weil der Kaiserkai gesperrt wird und auf den Klappmechanismus der Ghandi-Brücke kein Verlass ist; eine eigene U-Bahnhaltestelle wurde vergessen; der Bus hält vor der Ghandi-Brücke, die aber auch vor Fußgängern aufgeht; wer mit dem Rad kommt, wird seine Abendgarderobe verlässlich durchs Schietwetter schieben; vergessen Sie auch das Taxi, es dürfen dort immer nur drei auf einmal stehen (und Sie sind garantiert der vierte Fahrgast); ähnlich voll wird das Schiffchen (Linie 72), das alle 20 Minuten kommt (vielleicht); bliebe die Anreise aus der Luft – aber sie wollten ja in HH unbedingt eine Philharmonie bauen und keinen Flughafen.

27.5.: Ach, du meine Tüte. Im Postbahnhof findet am Wochenende Deutschlands größte Hanfmesse statt. Das Geschäft scheint zu boomen wie das Friseurhandwerk, zumindest was die Ausstellernamen angeht: „Annabis“, „Nachtschatten“ oder „Verdampft nochmal“. Das inoffizielle Messemotto steht auch schon fest: Hanfdampf in allen Gassen.

Juni
1.6.: Der Checkpoint bekommt zwölf kleine Brüder und Schwestern für alle Berliner Bezirke! Jeweils einmal in der Woche bringt Ihnen „Tagesspiegel Leute“ per Mail ganz nah, wer und was um Sie herum wichtig ist. Kostenlos zu bestellen unter leute.tagesspiegel.de.

Zum ersten Mal seit 1990 ist in Berlin die Arbeitslosenzahl auf unter 10 Prozent gesunken. Natürlich lässt sich das relativieren (im Ländervergleich bleibt Berlin Vorletzter) und minimieren (ca. 11 500 Arbeitslose fallen wegen „Maßnahmen“ aus der Statistik) – aber sich einen Tag lang über was freuen, tut ja auch mal gut (Hinweis für Neuberliner: Nicht gemeckert ist hier genug gelobt).

8.6.: Richtig begeistert von Berlin zeigte sich Rudolph Giuliani (Motto: „Zero Tolerance“) bei seinem Besuch: „Sauber und attraktiv“ fand er es – bis ihm jemand sagte, dass 38 vollgesprühte U-Bahnen aus dem Verkehr gezogen werden mussten. Seine Reaktion: „Oh. Ich hasse Graffiti.“

9.6.: Wirklich erfreulich sind Ihre gelegentlichen Mitteilungen über gute Erfahrungen in den Bürgerämtern (Ja, die gibt es!) – und meistens hat das mit hilfsbereiten und flexiblen Mitarbeiter*_Innen zu tun (alles richtig so?). Deshalb wagen wir von morgen an ein Experiment: Jeden Tag eine gute Nachricht vom Amt – schaffen wir das? Schaffen wir!

10.6.: Hier die erste Folge unserer neuen Wohlfühl-Reihe „Amt, aber glücklich“ – Gewinnerin des Tages ist die Sachbearbeiterin Frau Tercan vom Bürgeramt in der Schlesischen Straße. Checkpoint-Leser Jens Gürtler schreibt: „Vor 1 Woche telefonisch meinen Wunschtermin bekommen, nur 20 min gewartet, gleich drei Anliegen auf einmal erledigt – alles sehr erfreulich.“ Na bitte, geht doch!

Gute Nachrichten für die Musikerin Elen, die wegen ihres aufgeklappten Gitarrenkoffers („unerlaubtes Abstellen von Gegenständen“) in Absurdistan (Zweigstelle Berlin) zu 1000 Euro Strafe verknackt wurde: Die Fraktion der Linken sammelte spontan 800 Euro für sie.

Die „New York Times“ hat zwar den Berlin-Hype abgeblasen, uns dafür aber attestiert, ein „Spielplatzparadies“ zu sein (Lügenpresse!).

13.6.: Riesenresonanz auf die neue Checkpoint-Reihe „Amt, aber glücklich“ – Ihre Mails zeigen, dass trotz aller Probleme in den Bürgerämtern auch einiges überraschend gut funktioniert – vor allem dank der Angestellten.

21.6.: Falls Sie mal dringend in Ruhe Ihre Mails checken wollen – im Französischen Dom und in der Gedächtniskirche wird heute der „Godspot“ freigeschaltet (kostenloses Wlan). Statt Werbung läuft im Hintergrund ein Gottesdienst.

24.6.: Herrlicher Leserbrief von Matthias Helfrich – eine Hymne auf die tollste Stadt der Welt: „Meine Frau und ich (seit zwei Jahren in Berlin) haben noch nirgendwo so fitte und vitale über 80-Jährige (m/w) gesehen wie in Berlin. Bestes Beispiel: unser Nachbar Heinz M. in Friedenau, Jahrgang 1934, gelernter Stahlbauer, aufgewachsen im Ostteil der Stadt, später Ausbürgerung und Umzug nach West-Berlin. Er besucht mit uns Pop-Konzerte, geht mit uns zur Hertha und schickt alle Arten von WhatsApp-Nachrichten bzw. Bilder. Vor wenigen Minuten erhalten: ‚Das schönste an der Gartenarbeit ist das Gießen. Prosit.’ Ich ‚sehe’ ihn gerade aus der Ferne nach getaner Arbeit im Garten beim Bier. Das ist Berlin – liegt das an der ‚Berliner Luft’? Offenbar hält diese Stadt einfach jung.“

27.6.: Gewinner heute in der Rubrik „Amt, aber glücklich“ ist das Rathaus Köpenick – CP-Leser Robert Lindner schreibt: „Ohne Termin für einen Reisepass hin. Dort: EDV-Panne, Hälfte der Computer lahmgelegt, trotzdem rangekommen. Zu allem Überfluss hat die Mitarbeiterin Nasenbluten, doch sie lächelt tapfer und sagt: ,Hamwa schon schlimmeret erlebt, kriegen wa hin.’“ – Top!

Auch nicht von schlechten Eltern: die zweite Jahreshälfte

Juli
5.7.: Hurra, am BER ist wieder was fertig – soeben wurde das Parkhaus eröffnet! Wer will, kann ab sofort schon mal direkt vor dem Terminal seinen Wagen abstellen, für nur 39 Euro die Woche, macht bis Ende 2017 (noch immer offizieller Flughafeneröffnungstermin) 3003 Euro – aber dann haben Sie auch die Pole Position, wenn’s endlich losgeht.

So, jetzt gönnen wir uns zur Erholung mal eine Portion Schadenfreude, und zwar mit einer Nachricht aus Hamburg: Hier wollte gestern mit viel Trara Verkehrssenator Horch einen Elektrobus in Betrieb nehmen (Linie 48) – aber dann hatte der Bus eine Grippe und der Senator einen Softwareschaden, vielleicht war es auch andersherum, jedenfalls kam keiner von beiden. Das würden wir hier auch nicht besser hinbekommen.

8.7.: Gründlich verplappert hat sich gestern der Regierende Bürgermeister: Bei einem Auftritt vor Industrie-Betriebsräten im GM-Werk Marienfelde zitierte er aus einer SMS, die er in der Nacht zuvor erhalten hatte – der Inhalt: Siemens erhält die Genehmigung der Bundesregierung für ein Gasturbinengeschäft mit Saudi-Arabien, Wert: eine halbe Milliarde Euro. Als einzige Journalistin hatte meine Kollegin Sonja Alvarez die etwas zähe Veranstaltung von Anfang an verfolgt – und konnte so die von Müller voreilig verkündigte Nachricht (noch ist der Deal gar nicht perfekt) in alle Welt verbreiten – als frohe Botschaft für den Standort Berlin (wenn auch nicht für Gastgeber GM).

Sensation: Unter ständiger journalistischer Begleitung der Tagesspiegel-Redaktion hat die S-Bahn die seit Monaten kaputte Rolltreppe am Ausgang Askanischer Platz fertig repariert – einen Tag vor dem angekündigten Termin. Unser Tipp: Herkommen und schnell ausnutzen, bevor sie wieder steht.

11.7.: In Mitte steht die Konterrevolution bevor: Marx und Engels kommen zurück – nach Abschluss der U-Bahn-Bauarbeiten soll ihr Denkmal „an seinen ursprünglichen Standort in seiner ursprünglichen Gestaltung und Komposition zurückgeführt werden“, teilt Staatssekretärin Lüscher mit (auf Anfrage MdA Lompscher). Dazu der Kommentar von Meister Marx selbst: „Ewiges Leben – eine Vertröstung für die Unterdrückten.“

13.7.: Weil es nichts gibt, das es nicht gibt, gibt’s auch einen deutschen „Angstindex“ – aber keine Bange, das „Angstniveau“ (auch das gibt’s) ist in Berlin natürlich absolut unterentwickelt: In unserer schönen Stadt lebt es sich am entspanntesten (wenn das der Innensenator wüsste…).

20.7.: Es ist soweit: endlich Sommerferien! Feiern wir jetzt erst mal Antonia Arndt: Mit 900 von 900 möglichen Punkten hat sie ihr Abi gemacht – das gab es seit der Gründung von Berlin im Jahr 1237 („Berlin“ kommt aus dem Slawischen und bedeutet „Sumpf“, falls die Frage mal kommt) noch nie.

August
8.8.: Sagt man nun Brötchen, Wecken oder Schrippen? Was vor Kurzem wie ein Streit um Wolfgang Thierses Bart wirkte, kann der Tagesspiegel endlich aufklären. Zum 20. Jahrestag der Erlaubnis, auch sonntags in Berlin frische Backwaren zu verkaufen, recherchierte unser Stadtbiograf Andreas Conrad: Die Schrippe hieß einst „schripfe“ und war ein „weiszbrot mit aufgerissener rinde“. So, jetzt weisz man das.

15.8.: Im „Kurier“ steht heute eine Geschichte samt Foto über den SPD-Kandidaten und bisherigen Treptow-Köpenicker Bezirksverordneten Alexander Freier-Winterwerb, der bisher eher dank seines Wahlkampfs per Dating-App Tinder bekannt geworden war: Als ihm eine NPD-Demo über den Weg lief, stellte er sich spontan mit einem Wahlplakat („Berlin bleibt weltoffen“) in den Weg. Wenn das wirklich so war: Respekt!

30.8.: Die City West soll mindestens ein weiteres Hochhaus bekommen. Um den Bahnhof Zoo scheint zu gelingen, was am Alex seit 20 Jahren nicht klappt. Skeptiker könnte der Anblick des gerade fertiggestellten „Upper West“  überzeugen: Während sonst schlammfarbene Dickerchen (Spreedreieck) oder karierte Langeweile (um den Hauptbahnhof u.a.) die Stadt auf Jahrzehnte verhunzen, sieht der Turm am Breitscheidplatz real genauso hell und originell aus, wie die Simulation versprach.

31.8.: Spätis dürfen auch am Sonntag öffnen, heißt es in einem Rechtsgutachten, das die SPD-Fraktion beim Wissenschaftlichen Dienst des Abgeordnetenhauses in Auftrag gegeben hat. Allerdings nur, wenn die Läden ihr Sortiment grundsätzlich auf Waren beschränken, die dem sofortigen Verzehr dienen, etwa Getränke, Eis, Obst – aber nicht Konserven, Tiefkühlpizza oder Toilettenpapier. Für den SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck schafft das Gutachten Rechtssicherheit: „Hobbypolizisten und Ordnungsämter haben dann kein Betätigungsfeld mehr.“ Darauf ein Wegbier.

Berlin bleibt Sehnsuchtsort der wissensdurstigen und vermutlich auch erlebnishungrigen Jugend. Für das kommende Wintersemester haben die Hochschulen der Stadt mehr als 100.000 Bewerbungen erhalten. 51.400 sind es allein auf Numerus-Clausus-Fächer an der HU, das entspricht zehn Bewerbungen pro Studienplatz. Die FU zählt 34.000 Bewerbungen auf knapp 5300 Plätze, die Technische Universität 18.000 auf 2180 Plätze.

September
7.9.: Der Sommer kehrt zurück. Zur zweiten Wochenhälfte sind 30 Grad und mehr angesagt. Falls Sie arbeiten müssen, machen Sie Ihrem Chef ein Donnerwetter: Ab heute verkaufen die Meteorologen der Freien Universität die Wetterpatenschaften für 2017. Der männliche Vorname für ein Tiefdruckgebiet ist für 199 Euro zu haben (die Hochs werden weiblich getauft und kosten 299 Euro).

14.9.: Finstere Türsteher, darke Rooms, dumpfe Musik – wenn das keine Hochkultur ist. Das Berghain, Legende seiner selbst, darf sich ab sofort Philharmonie des Techno nennen. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg entschied, dass Veranstaltungen in Berlins bekanntestem Club fortan als kulturelle Events gelten. Damit zahlt das Berghain nicht mehr den normalen Steuersatz von 19 Prozent, sondern nur noch künstlerisch wertvolle 7 Prozent. Unklar bleibt, ob dadurch auch die Drogen im Dunkeln billiger werden. Beim ersten Schnee weiß man mehr.

21.9.: Berlin ist „Entwickler-Hauptstadt“ (logo): 80 000 Softwareprogrammierer arbeiten hier – mehr als auf einmal ins Olympiastadion passen.

22.9.: Hahohe! Hertha hat gestern die Bayern in München bei der Laufleistung locker abgehängt: 112,32 km zu 106,87 km – klarer Sieg. Dazu auch der Kommentar des stolzen Regierenden Bürgermeisters: „Berlin bleibt fleißig“. Da konnten die Berliner ihrem Gegner auch großzügig ein paar mehr Pässe (881:276), Torschüsse (16:2), Ballbesitzanteile (76%) und Tore gönnen (3:0).

Oktober
20.10.: Wetten, das wird das größte Bären-Spektakel seit Knut selig!? Zoochef Andreas Knieriem hat in China ein Panda-Pärchen für Berlin organisiert. Ab November soll ein neues Gehege gebaut werden, 2017 sollen die Bambusbären einziehen.

21.10.: Zu den 100 Dingen, die in Berlin super funktionieren, gehört unsere Sammelaktion von 100 Dingen, die in Berlin funktionieren (gestartet, um die These des Regierenden Bürgermeisters „Berlin funktioniert in weiten Teilen gut“ beweiskräftig zu stützen). Hier eine Auswahl (Q: Twitter): Jalousien im Berghain (@lukashermsmeier), die Versorgung mit Koks, denke ich (@osi28) – Und das auch noch in besserer Qualität und zu günstigeren Preisen als in München (so so, @NiceBastard), das Finanzamt, wenn es Geld will (@achimbodewig), Frühstück bis 16 Uhr (@leitmedium), TXL (@docfranzke), Sonnenauf- und -untergang (@facesworld), Spätis (@dirkstettner), und: der Glücksmoment, wenn du erstmals auf dem Tempelhofer Feld bist + beginnst, diese Stadt zu lieben (@ilsemohr)… Aha, es geht sogar ohne Zynismus.

24.10.: 60 000 Fans im Rund singend außer Rand, ein rasantes Spitzenspiel mit schönen Tricks und schnellen Toren, der zwischenzeitliche Taumel als „Spitzenzweiter“ („Morgenpost“) und Altstar Marcelinho, der handgeformte Herzen ins Publikum wirft: Wann hat Hertha BSC zum letzten Mal so hingerissen wie am Wochenende beim Sieg über den 1. FC Köln? Kann Berlin (und zwar auch in Köpenick) etwa sogar Spitzenfußball?

November
1.11.: Gestern Abend kurz vor Mitternacht: Erleichterungseinkauf bei meinem Stamm-Kaiser’s in der Annenstraße – alle 120 Filialen bleiben, die 5600 Mitarbeiter bekommen eine Arbeitsplatzgarantie für sieben Jahre.

4.11.: „Print wirkt“ behauptet der Verband der Zeitschriftenverleger – den Beweis hat jetzt eine 70 Jahre alte Kioskbesitzerin in Wedding erbracht: Sie schlug zwei mit einem Schwert bewaffnete Räuber in die Flucht – mit Zeitungen aus ihrem Laden. Welche es waren, wusste die Polizei nicht zu sagen – aber sicher gehaltvolle Blätter, nahkampferprobt und gehärtet im Berliner Medienmarkt.

7.11.: Sensation im Tierpark – Tonja und Wolodja haben Eisbär-Zwillinge bekommen. Nach Namen müssen wir aber noch nicht suchen - bisher steht nicht mal fest, ob’s Jungs oder Mädchen sind.

15.11.: Wenn das Turnvater Jahn noch erleben könnte: Berlins Drittklässler sind Deutschlands Beste – jedenfalls beim Rumpfbeugen, Wegrennen und Rückwärtsbalancieren (was man eben alles so braucht in der großen Stadt).

23.11.: Expertenfrage – was steht heute in einem Jahr im Kalender? Richtig: 2000 Tage seit Nichteröffnung des BER (macht 2 Mrd.). Und morgen in einem Jahr? Genau: 3 Jahre Checkpoint (für umsonst). Können Sie sich schon mal merken, das gibt eine schöne Doppelfeier – und wenn der Flughafen doch schon fertig sein sollte (ja, ich weiß, seeehr unwahrscheinlich, aber …), dann erst recht!

28.11.: Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt über unser neues 80-Seiten-Magazin „Tagesspiegel Berliner“: „Diese Zeitschrift wünscht man sich bald fortgesetzt“ – na, da sind wir uns doch mal einig.

Um die wahren Verhältnisse zwischen Hamburg und Berlin wieder geradezurücken, schauen wir mal schnell und ganz ohne Häme (na ja, fast) auf den Tabellenstand – 1. Liga: Hertha 24 Punkte (Platz 3 nach dem 2:1 über Mainz gestern Abend), HSV 4 Punkte (letzter Platz). 2. Liga: Union 24 Punkte (Platz 5 nach dem 1:0 in Sandhausen gestern), St. Pauli 6 Punkte (letzter Platz). So, jetzt geht’s wieder besser.

30.11.: Als Kulisse funktioniert Berlin weiterhin bestens – 4000 Drehgenehmigungen werden pro Jahr beantragt, und damit wenigstens die abgearbeitet werden können, hat die Verkehrslenkung für 58 080 Euro eine Extrakraft eingestellt.

„Berliner Herbst der regenärmste in ganz Deutschland“, melden die Meteorologen – hier funktioniert aber auch gar nichts.

Dezember
1.12.: Meldung: Mit 180 096 Studierenden ist ein neuer Rekord erreicht. So schlau war Berlin noch nie.

7.12.: Und jetzt mal nach rechts und links geschaut, liebe Eltern. Sitzt da ein Dauergast im Hotel Mama mit am Frühstückstisch? Dann ist ihre Familie in der Minderheit! Denn nur 45 Prozent der 18- bis 24-jährigen Berliner wohnen noch zu Hause. Das ist laut „Welt“ der Bestwert nach Sachsen (43 Prozent). Bundesweit sind es 62 Prozent, die meisten Nesthocker hat das Saarland mit 71 Prozent.

13.12.: Kleine Rechenaufgabe: In Berlin ist die Zahl der Einser-Abis innerhalb von zehn Jahren um das 14-fache gestiegen – wie viele sind das pro Jahr absolut? Na klar, immer noch nicht so wahnsinnig viele, aber doch schon 270 (von 14 185). Den Bayern werden wir jetzt zu schlau – sie wollen unser Abi deswegen dort nicht mehr anerkennen.

15.12.: Wir schalten um zum Checkpoint-Sonnen-Service: Tage, bis die Tage wieder länger werden: 7 (in Buchstaben: sieben).

16.12.: Tyrannosaurus Tristan, Bewohner des Naturkundemusems, feiert morgen in seinem zweiten Leben (das erste ist 66 Millionen Jahre her) 1. Geburtstag. „Sein Lächeln wirbt für Berlin“, säuseln die PR-Texter. Die Verwertungskette hält jedenfalls: Neu im Angebot ist eine Schädelkopie (Maßstab 1:10, 69,95 Euro) zum „mit nach Hause nehmen“. Funktioniert bestimmt auch als Mäuseschreck.

23.12.: Nicht vergessen: Silvester wird in diesem Jahr extralang – wir bekommen eine Schaltsekunde geschenkt. Ich habe auch schon eine Idee, wie Sie die gewonnene Zeit nutzen können: Am 31. Dezember erscheint auf unseren „Mehr Berlin“-Seiten der große Checkpoint-Jahresrückblick. Und warum erzähle ich Ihnen das schon jetzt? Richtig: weil der nächste Checkpoint erst am 2. Januar 2017 erscheint. Fröhliche Weihnachten und einen guten Rutsch, Ihr Lorenz Maroldt.

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Zusammengestellt von jos & müh

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