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Berlin: Der doppelte Festtag

Das frühere DDR-Symbol Fernsehturm wird 35 – am Tag der Deutschen Einheit

Dass sie vor schwindelnden Höhen keine Angst hat, beweist Heidi Knake-Werner regelmäßig im Urlaub, wenn sie mit ihrem Mann auf steile Berge klettert. An diesem Wochenende ist es allerdings nicht der Berg, der die Sozialsenatorin ruft, sondern der Turm: In 204 Metern Höhe will Knake-Werner am Samstagmittag die Fenster des Fernsehturms putzen – von außen. Die spektakuläre Kletterpartie ist einer der Programmpunkte, mit dem am Wochenende das 35. Jubiläum von Berlins höchstem Bauwerk gefeiert wird.

Vier Jahre lang waren damals am Alex 8000 Quadratmeter Beton geschüttet und fast 5000 Tonnen Stahl verbaut worden, bis eine Masse von 26000 Tonnen auf einer 42 Meter runden Fundamentplatte ruhte und das mächtige Bauwerk mit seiner alles dominierenden Höhe von 365 Metern eingeweiht werden konnte. Als im Jahre 1969 der Termin für die feierliche Fernsehturm-Eröffnung „zu Ehren des 20. Jahrestages der DDR“ auf den 3. Oktober gelegt wurde, ahnte nicht einmal Oberbaumeister Walter Ulbricht, der den Standort mitten in der Stadt bestimmt hatte, dass dieses Datum dereinst der Nationalfeiertag eines geeinten Deutschland sein würde.

„Wir feiern also immer gleich doppelt“, sagt Hartmut Wellner, der seit 1989 das höchste Restaurant der Stadt leitet. 207 Meter über Berlin, bei Kaffee, Bier und Schweinesteak, dehnt sich die Metropole bis ins Unendliche; man blickt 40 Kilometer weit. Auch schon zu DDR-Zeiten, als der Begriff „Telespargel“ für den Lolli erfunden wurde, war Berlin aus der Vogelperspektive immer eine schöne, grüne, große und, wie es schien, grenzenlose Stadt. Damals konnte man nurmehr eine Stunde auf dem Drehring im Telecafé sitzen und wurde freundlich hinauskomplimentiert, heute ist man schon in einer halben Stunde einmal herum gefahren, aber kann sitzen, so lange man Lust dazu hat. 42,5 Millionen Menschen sind in den vergangenen 35 Jahren mit den beiden Fahrstühlen (sechs Meter pro Sekunde) in die Silberkugel gefahren worden, heutzutage ist das bis 24 Uhr möglich. Im Turm wird eigentlich rund um die Uhr gearbeitet – die fünf Etagen über dem Café sind voller Technik: Der Turm ist eine Sendestation für 29 Fernseh-, 17 UKW-Hörfunk- und 25 digitale Programme.

Als der Turm vor 35 Jahren eingeweiht wurde, im Oktober 1969, konnte der gelernte Koch Hartmut Wellner in seiner Heimatstadt Stralsund zum ersten Mal sein Organisationstalent beweisen – als Chef der „Störtebeker“-Nachtbar. Die Liebe zog ihn später nach Berlin, er leitete Alex-Treff und Ratskeller, um schließlich mit dem Turm in eine neue Zeit zu starten. Über all das schreibt er nun ein Buch. Schöner Titel: „Ein Koch kommt in den Himmel“.

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